Brauchen Kinder das Zoo-Feeling? Oder wie nahe sind «wäck» und «jö» denn beieinander? Eine Auseinandersetzung.
«Alle haben Haustiere, wir nicht.» Ich hasse diesen Satz. Und wie. Bhoa. Wir diskutieren heftig am Küchentisch. Ich gucke um mich. Und frag die Kinder, ob wir im Käfig zwei ausgestopfte Mäuse angucken. Die finde ich widerlich. Oder hocken im Garten die Osterhasen im Stall? Ein Mega-Aquarium mit Fischen steht im Wohnzimmer. Klar, zum Streicheln nicht geeignet. Obschon als sie neu waren, oh mein Gott, liebe Christine, unsere Mittlere nahm die Fische nacheinander raus und streichelte sie. Kannst dir sicher vorstellen, wie geschockt ich war? Eine grosse, dicke Haibarbe schwimmt rum und frisst die kleinen. Ich überlege mir die ganze Zeit, wie ich die loswerde. Kann sie schlecht im Sihlsee aussetzten.
«Oh, die Mäuse dürfen wir nicht rausnehmen und frei spazieren lassen. Das willst du nicht.» Bekommen meine Ohren zu hören. Gahds no! Wer will frei rumspringende Mäuse in der Stube? Herrgott, meine Nerven. «Und mit den Fischen können wir nichts anfangen. Mami du bist eine Spielverderberin.» Mein: Wollt ihr sie essen? Ich kann die Fische euch zum Znacht kochen? Fanden sie nicht lustig. Als Eltern sich treu bleiben ist eine mega Herausforderung. Findest du nicht?
Meine Liebe, das fängt an, kaum bist du schwanger. Es wissen alle anderen, wie du dich verhalten musst. Klar, die guten Ratschläge bekommst du mitgeliefert. Ungefragt, versteht sich. Ist das Baby da, geht es richtig los. Ich frag dich: Findest du ein anderes Thema, wozu es massenhafte Meinungen gibt? Wohl kaum.
Sich treu bleiben, Schritt für Schritt. Nicht links gucken, nicht rechts gucken. In Ruhe seinen Weg weitergehen. Tja, das ist nicht leicht.
Sind unsere Kinder grösser, stehen wir vor neuen Herausforderungen. Da kommen die Meinungen aus einer anderen Ecke. Aus dem «Inner Circle». Es sind deine Kinder. Dein eigenes Fleisch und Blut. Und ich verrate dir, was sie sagen; den Satz aller Sätze: «ALLE ANDEREN DÜRFEN & HABEN DAS AUCH.»
Magst du dich erinnern? Wir beide waren Profis im verwenden dieses Satzes. Wir fühlten uns als Teenie chronisch benachteiligt. Alle durften in die Disco. Alle durften im Schwanen herumhängen und kiffen. Okay, das mit dem kiffen, das war nicht unser Ding. Alle hatten getönte Haare – ausser du. Meine waren grün gefärbt. Okay, dafür gabs Hausarrest. Und nicht zu knapp. Was mir sowas von egal war. Meine Hausarreste, die sass ich locker ab. Was wiederum meine Eltern nicht lustig fanden. Im Gegenteil. Sie fühlten sich gestresst.
Witzig war, liebe Christine, unsere Väter sagten beide dasselbe: «Alle springen aus dem Fenster, springst du mit?» Ein doofer Spruch. Damals. Und heute.
Ich denke, dieser «Alle anderen haben aber …»-Satz wiederholt sich in jeder Familie. Bei uns seit Jahren. Derzeitig geht es um Haustiere. Genaugenommen um einen Hund. Da wird diskutiert. Alle haben einen (was nicht stimmt), wir nicht. Die Christine hat einen. Einen herzigen schwarzen. Martin hat einen. So einen kleinen weissen, schnusigen, das wissen wir. Wir haben die Bilder gesehen. Grosspapi Max hat sieben. Mami: siiieebeen! Wir keinen. Warum nicht? Weil ich nicht will. Ich will keine Verantwortung für einen Hund. Punkt.
Heute ist es ein Hund. Morgen geht es um Mädels oder Jungs. Okay, da rede ich nicht mit. Ausgang. Auto und so weiter. Es hört nie auf. Ich hoffe seit Jahren, dass ich bei allem einen Mittelweg finde. Für das, was mir wichtig ist oder ich über meinen Schatten springen kann. Das kann nervenaufreibend sein, wird nie langweilig. Und das seit Jahren. Unsere Familie ist wie ein Fluss, viel ist vorbeigezogen, mehr wird kommen, und nichts steht still. Tag für Tag.
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