Hihi, heute, liebe Christine, kommt der Pöstler mal aus einer anderen Richtung. Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe, zum Geburtstag. Ich umarme dich. Schicke gros bisous.
Es ist eine schwierige Zeit zu feiern. Du weisst warum, und ich möchte nicht darauf eingehen. Wir beide, wir waren schon immer gut im Vertuschen – wenn es denn sein musste. Etwa, wenn es um unsere Mamis ging. Wir nutzten andere Namen und konnten am Küchentisch knallhart über Claudia herziehen oder über Pia motzen. Oh Gott, chère amie. Wir hockten seelenruhig da, lästerten über Claudia und Pia, derweil eine unserer Mamis am Kochen war. Und wenn sie fragte, wer denn diese beiden Frauen seien, sagte eine von uns: «Schülerinnen».
Kichern musste keine, aber unter dem Tisch ginggten wir uns. Wie unverfroren war das denn? Wir finden das heute noch witzig. Reden wir von den Mamis, brauchen wir diese Kosenamen.
Weisst du, was ich dir schenken möchte? Einen Frauenkino-Abend. Ein Abend nur unter Frauen. Wäre doch schön. Nichts gegen unsere Männer. Non. Jamais. Aber es lässt sich anders reden so unter Gleichgesinnten. Und wir haben es lustig. Wir beide, da stimmst du mir bestimmt zu, gehören zu den Menschen, die immer und überall Kontakt finden. Du bist etwas besser, schneller. Bist halt eine Spur kontaktfreudiger als ich. Selbstsicherer.
Weisst du, immer wenn eine von uns Geburtstag feiert, muss ich an Fabien denken. Dann werden meine Augen feucht, meine Herz verkrampft sich. Dein Sohn starb an meinem Geburtstag. Schrecklich. Der Kleine flog an meinem Geburtstag ab in den Himmel. Und du, du bist in diesen 22 Jahren stark geblieben, gingst deinen Weg, konsequent. Du liessest dich nicht unterkriegen, gebarst nochmals zwei Kinder. Ein Meitli und einen Buben. Dein Mann und du, ihr seid ein Paar geblieben. Chapeau.
Ich bewundere, wie du mit vollen Händen gibst, dich engagierst, einsetzt und aufopferst. Unermüdlich ziehst du am Familienkarren, steuerst mit deinem lieben Mann die Ehelimousine und hältst den Verein SHGSZ in Schwung. Das machst du grossartig. Und deshalb verstehe ich dich gut, wenn du dir nicht auf die Kappe sch … lässt. Ich finde, alles muss frau sich nicht gefallen lassen. Nein. Schwarz-weiss ist Trumpf. Du kannst das besser als ich.
Weisst du, nachdem ich deinen Geburtstagsbrief für mich gelesen hatte, sass ich da mit feuchten Augen. Deine Worte verzauberten mich. Ich konnte kaum glauben, was du mir alles Liebes und Nettes geschrieben hattest. Ich bin doch nicht der gute Mensch, der bist du, liebe Christine.
Wir kennen uns, seit wir 16 Jahre alt sind. Kennen gelernt haben wir uns am ersten Tag der Lehrzeit. Wir sassen gemeinsam im Zug. Tag für Tag fuhren wir miteinander die halbe Strecke. Ich musste zuerst aussteigen.
Beide wirken wir etwas eigensinnig, vielleicht schräg. Es ist unser Glück, dass wir für einander so gute Freundinnen sein können. Dass wir uns gernhaben, für einander da sind, einander gegenseitig allfällige Fehler verzeihen.
Ich muss schmunzeln, wenn ich an Situationen denke, die dir peinlich waren. Du stehst da, wartest auf mich. Total farbig angezogen, in deinem eigenen Kleiderstil halt und mit deinen geliebten Doc Martens an den Füssen. Und ich? Ich stolziere auf megahohen Absätzen übers Kopfsteinpflaster auf dem Klosterplatz. Weisse Bluse, schwarzer Mini und High Heels. Ich weiss, dir war das peinlich. Du dachtest, mein Gott, gleich kippt sie um. Mais dis donc, ich kippte nicht. Im Gegenteil, alle schauten sie, wie ich daher stöckelte. Mit einem Grinsen.
Schwarz-weiss mag mein Kleiderstil sein, mein Denken ist es nicht. Ich weiss, du schätzt die Nuancen meiner Urteile, und ich bewundere dich für deine Konsequenz. Gerne wäre ich so pünktlich wie du. Und so diplomatisch. Ich kann nuanciert direkt sein. Und du kommst mit dem nötigen Mass an Diplomatie ans Ziel. Und ich in deinem Schlepptau dann ebenfalls. Hihi. Wir sind gegenteilig, schöner könnte es nicht sein.
Soll ich dir, liebe Christine, verraten, was unsere lange Freundschaft ausmacht? Wir lieben den anderen, so wie er ist. Es ist für uns beide nicht wichtig, dass wir so verschieden sind. Wir sagen einander unsere Meinung. Zickenkrieg kennen wir nicht. Neid, Missgunst gibt es nicht. Da fällt mir ein: Wir haben noch nie gestritten. Nicht gleicher Meinung sind wir oft. Aber streiten? Nie.
Und jetzt? Lass ich umarmen. Bleib so, wie du bist. Etwas frech, manchmal aufmüpfig, fadegrad, konsequent und unendlich liebenswert.
Bhüet di, meine liebe Christine.
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