«Mami, was ist der Unterschied zwischen hübsch und grusig? Weisst du, ich finde eigentlich alles schön.» So lautete die Frage meiner Tochter Nr. 2 vor langer, sehr langer Zeit. Sie war dabei, sich alleine anzuziehen.
Toll, erwachsene Kinder zu haben. Ich geniesse es. Weisst du, meine Liebe, es sind in letzter Zeit in meinem Bekanntenkreis zwei, drei Babys zur Welt gekommen. Herzige, fein duftende Menschlein. Ihre Eltern voller Hoffnung und Zuversicht, was die Zukunft wohl bringen mag. Logisch freue ich mich mit ihnen. Und bin gleichzeitig froh, dass unsere Kids ihren eigenen Weg gehen.
Wunderschön fand ich die Zeit, als sie etwas grösser waren. Anfingen zu reden. Und du zuerst überlegen musstest, was sie eigentlich sagen wollen. Fertig mit dem «Auf sich aufmerksam machen wollen»-Geschrei.
Vier Kinder. Alle aus einer Familie und doch jedes anders. Eine Vielfältigkeit, ich staune oft. Eins ist extrem kreativ, ich wusste nie, was mich erwartete, wenn ich das Zimmer betrat. Das andere träumte gerne. Lebte ständig in einer Fantasiewelt. Wiederum ein anderes interessierte sich für Kleider, Schuhe, Taschen. Und eins war überall, nur nie daheim. Und wenn doch, war es selten allein. Ein Gspänli begleitete es regelmässig.
Ich liebte ihre heimlich geschriebenen Zettelchen. MaBelle, liebevoll geschrieben mit kreativen Schreibfehlern. Da denkt man automatisch: Hoffentlich lernt das Kind irgendwann richtig schreiben.
«Lib Gott bite mach das das Kopfwe weg gad und das mier nüm Schlecht und drümmlig isch. Mit grües an Fabien.»
Unsere Kinder sind die besten Rechtfertigungen, deine eigenen Kindheitsträume wiederzubeleben. Findest du nicht? Oder sie lassen dich an Dinge erinnern, die du auch gemacht hast. Die erste grosse Liebe. Heimlich rauchen. Du sagst, du schläfst bei deiner Freundin, ihr müsst zusammen Hausaufgaben machen. Dabei gehst du mit ihr an eine Party. Du erinnerst dich?
Ich find es toll, grosse Kinder zu haben. Du auch? Komm mir bloss nicht mit dem Satz: «Warte ab, bis alle ausgezogen sind.» Der ist nervend, den kann ich nicht ausstehen. Das fing bei der Schwangerschaft an. «Wart ab, bis dir schlecht wird. Wart die Geburt ab, wirst schon sehen. Wart ab, bis deine Kinder die Trotzphase haben. Wart ab, bis sie in die Pubertät kommen.
Sprüche, die nichts bringen. Und überhaupt, meine Liebe, abwarten ist nicht mein Ding. Ich bin wie du. Ich geniesse lieber den Moment.
Ich verrate dir ein Geheimnis.
Vor Jahren an der Schulfasnacht unserer Kinder. Weisst du, da sind die Eltern eingeladen, mitzumachen. Okay, verkleiden ist jetzt nicht mein Ding. Aber mitmachen beim Karaoke geht auch ohne Verkleidung. Und wie. Ich mache mit. Und wie. So schön laut und selbstverständlich falsch singe ich «Blue Bayou» von Paola. Ich hatte total Spass – und meine Kids? Stell dir vor, meine Liebe, überhaupt nicht. Das Jahr drauf, musste ich allen vorher versprechen, nicht mehr zu singen. Kein Problem. Peinlich sein, das kriege ich gut anders hin.
Es gibt Momente, da mache ich Gebrauch von meinem gottgegebenen Recht als Mutter, es meinen Kindern so peinlich wie möglich zu machen.
Und ich geniesse das.
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