Tratschen

Ich schreibe Christian. Meinem besten Freund.

Was denkst du, meine Liebe? Können Männer und Frauen beste Freunde sein? Warum soll ich, passiert was Neues, es nicht zuerst einem Mann erzählen? Meinem «mon meilleur ami»?

Mon meilleur ami und ich, wir sehen uns alle paar Wochen. Und jedes Mal fühlt es sich an, als hätten wir uns ein paar Tage nicht gesehen. Okay, es liegt sicher daran, dass wir ab und an telefonieren.  Tja. Beste Freunde halt.

Und nein. Mein über alles geliebter Ehemann ist nicht eifersüchtig. Kein Neid. Kein Misstrauen. Kein gar nix.

Warum sollte er? Es gibt keinen Grund. Wir leben keine Erotik aus. Er. Ich. Wir beide stehen in festen Beziehungen. Ich sag dir, meine Liebe, wär er Schwul, wärs von der ersten Sekunde an kein Thema. Die Freundschaft zwischen Mann und Frau. Laut den Frauen aus dem Frauencafé gibt es keine Freundschaften zwischen Frau und Mann. Ein Kerl und eine Frau, geht gar nicht. Frauen hätten andere Erwartungen an eine Freundschaft als die Männer. Logisch, uns Frauen ist Loyalität super wichtig. Bei den Mannen? Ich frag Christian bei Gelegenheit.

Tja, MaBelle, es gibt sie. Die Unterschiede. Das merke ich bei Christian und mir. Irgendwie ist alles direkter. Ohne das Drumherumreden. Kein Nicht-auf-den-Punkt-Kommen. Wie ab und an bei uns Ladys. Ist deswegen eine Freundschaft unmöglich?

Ich überlege mir: Wer von meinen Freundinnen «besitzt» einen besten Freund? Uii. Keine. Du auch nicht. Warum eigentlich? Du hast ja viele Männer in deinem Freundeskreis.

Bin ich ein Einzelfall? Wohl kaum. Ich hab gelesen: «Eine beste Freundschaft zwischen Männern und Frauen könne sogar einfacher sein, weil sie verschieden sind.» Das klingt spannend, gäll?

Ich hab einen besten Freund, und das bereichert mein Leben.

Denkst du nun: «Christine, du bist verheiratet? Hast du das vergessen? Wozu um Himmels Willen brauchst du einen besten Freund? Beste Freundin ist klar, aber einen besten Freund? Und gibt es zwischen deinem Mann und dir deswegen keine Spannungen?»

Nein, die gibt es nicht. Mein Tipp: Du stellst alle einander vor. Mein Mann, Christian, seine Partnerin. Kennen sich alle vier, beruhigt das total.

Weisst du, meine Liebe, es gibt Dinge, darüber kann ich mit einem Freund schampar gut schwatzen. Mit dem eigenen Mann eher weniger. Frag mich nicht warum, ist halt so. Mit dir diskutiere ich stundenlang über die gleichen Dinge. Wir reden über unsere Männer, lästern über andere Frauen. Nennen sie ab und an «Schlampen». Über Kleider, Schuhe, Mode. Undwasweissichalles. Wir sind füreinander da. Stehen füreinander ein. Sind solidarisch. Wir halten zusammen. Frauen halt.

Mit Christian ist das anders. Die Kommunikation ist direkter, objektiver und einfacher. Typisch Mann halt.

Jammere ich ihm die Ohren voll, bekomme ich oft ein «nimm nicht immer alles so ernst», zu hören oder ein «wart ab, das geht vorüber». Sein «Nimms locker!» nervt mich schampar. Im Gegensatz zu dir sagt er mir direkt, was er denkt. Was er von mir hält. Und ich denke, «läck, was für ein Pflock ist der denn».  Und ich bin beleidigt. MaBelle, du bist da zurückhaltender. Überlege ich mir das genauer, passt mir beides.

Du musst wissen. So ein «mon meilleur ami» ist eine Bereicherung für jede Frau. Seine ruhige Art tut gut. Das fehlt uns Frauen oft. Ich sage dir: Christian hört mir zu und merkt, wenn es bei mir nicht gut läuft. Okay, du auch. Dank unserer langen Freundschaft. Der Unterschied ist doch: Bin ich genervt, sauer wegen irgendeinem Tüpfi, bist du solidarisch. Und das Tüpfi bekommt ihr Fett weg. Anders bei deinem best friend. Er bleibt sachlich, fair.

Weisst du, passt mir was nicht, bekommt ers sofort zu hören. Ich überleg nicht lange, wie ich es ihm sagen soll. Anders bei dir. Da überleg ich kurz meine Wortwahl. Ist es nicht so: Frauen sind schneller beleidigt als die Kerle.

Wir Frauen sind Genies im Vergleichen. Ich steh rum, warte und gucke andere Frauen an. Was tragen sie für ein Gwand. Passen die Schuhe modisch zu ihnen oder laufen sie rum, als ob sie alles aus einem Kleidersack haben? Vergleichen und verglichen werden. Typisch Frau. Mit Männern? Mach ich das nie.

MaBelle, was glaubst du? Machen das unsere Männer auch? Gibt es bei ihnen die gleiche Rivalität wie bei uns Erinnerst du dich, deine Reaktion, als ich dir von meiner Idee erzählte. Die Idee mit dem Schreiben und einer eigenen Website? Du hast mich ständig unterbrochen und x-Mal gefragt ob ich mir das gut überlegt habe. Briefe schreiben und öffentlich machen. Nicht so Christian. Er hörte mir geduldig zu bis zum Ende. Und ruft dann ins Telefon: So geil!

Meine Liebe, bei einem besten Freund kannst du sicher sein, deine Geheimnisse sind da gut aufgehoben. Egal, über was du mit ihm diskutierst, er wird es nie gegen dich verwenden. Freundinnen? Da bin ich mir nicht so sicher.

Christian und ich, wir wissen viele Dinge über einander. Macken, Fehler, Intimes, Ängste, Schwächen, dunkle Geheimnisse. Wenn ich es mir genauer überlege, kennt Christian mich besser als du mich kennst. Lachen, streiten, reden. Kann ich mit euch beiden perfekt.

MaBelle. Ist es nicht egal, ob eine Freundschaft aus zwei Frauen besteht? Menschen, die uns zuhören, für uns da sind, uns respektieren und wertschätzen. Menschen, die uns spüren lassen, dass wir für sie wichtig sind und uns mögen, wie wir sind. Diese Menschen sind lebenswichtig für uns. Mann, Frau spielt keine Rolle. Es spielt keine Rolle, solange keiner der Beteiligten unter der Freundschaft leidet.

Meine Liebe, platonische Freundschaften zwischen Mann und Frau sind rar. Schätze dich glücklich, hast du einen gefunden, mit dem es klappt. Freundschaft zwischen Frau und einem Kerl funktioniert prima, solange keine Gefühle oder sexuelle Interessen im Spiel sind. Deshalb klappt es zwischen Frauen und Schwulen so gut.

 

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