Tratschen

Schön und Traurig. Das Leben braucht beides.

Meine Lieblings-Kaffeetasse liegt in tausend Teilen am Boden. Ein echtes Erinnerungsstück aus dem letzten Jahrhundert. Kaputt. Zersplittert. Der Schock weicht der Traurigkeit.

Liebe Christine, ich sitze am Meer und mache mir Gedanken. Gedanken über das Traurig sein. Berge, Seilbahnen, Gämse, schöne Wanderungen, das alles muss warten. Warten bis nächstes Jahr. Ich muss meine Ferien absagen. Knöchelbruch. Ich bin niedergeschlagen, frustriert. Meine beste Freundin und ich, wir streiten. Keine Ahnung, wie wir uns versöhnen können. Beide sind wir enttäuscht. Ein lieber Freund ist bei einem Skiunfall tödlich verunglückt, was ganz, ganz schlimm ist. Alle, die ihn kannten, sind schockiert.

Um traurig zu sein, gibt es haufenweise Gründe. Es gehört zu unserem Leben. Schnell verfliegt unser Glück. Macht Platz für die Traurigkeit. Besonders, wenn es um schwere Schicksalsschläge geht. Eine schwere Krankheit, Trennung oder den Tod. Krankheit und Trennung gehen vorbei. Das Stillwerden eines deiner Lieben. Da sieht es anders aus.

Aus der Trauer rausfinden ist nicht leicht. Oft scheint es, als hätte sie sich, wie ein schwerer Mantel, über alles gelegt. Dumpf. Schwer. Kaum auszuhalten. Wir alle kennen solche Situationen. Sind wir niedergeschlagen, frustriert, freudlos, ist der Weg nach draussen oft mühsam.
Mit dem Weltschmerz umgehen, sodass das Lächeln zurückkehrt, da gibt es viele Möglichkeiten.

Will ich die Dunkelheit, mein Betrübtsein, hinter mir lassen, muss ich auf sie zugehen. Traurigkeit spüren. Sie wahrnehmen. Wütend werden.
Ich werfe meiner Lieblingstasse eine zweite hinterher. Das tut gut. Eine Runde weinen, weil aus den Wanderferien nichts wird? Warum nicht?
Ich bin verzweifelt über den Tod eines meiner Lieben? Verkriech ich mich. Will alleine sein. Wichtig ist: Ich finde meinen Weg aus der Trostlosigkeit.

Niedergeschlagen, geknickt sein fühlt sich schrecklich an. Viele von uns würden gerne davonlaufen. Etwas anderes machen. An anderes denken. Tja, weglaufen hilft nicht. Ist eine schlechte Option.

Weglaufen funktioniert nicht. Der Seelenschmerz ist dein Begleiter, und das Glück findest du nicht. Spüre ich meine Traurigkeit nicht, spüre ich auch nicht, wie glücklich ich bin. Die schönen, guten Gefühle auf der einen Seite, die belastenden, betrübten auf der anderen. Ich kann nicht nur die eine Seite haben. Entweder beide oder keine.

Denk an was Schönes: die letzten Ferien mit deiner Familie. Der wunderschöne Regenbogen. Oder an den gemütlichen Abend zu zweit. Das kannst du nur in dem Mass empfinden, indem du deinen Seelenschmerz, deine anderen negativen Gefühle zulässt. Die Betrübtheit wahrnehmen. Sie zulassen ist wichtig, willst du schönes und gutes wieder spüren. Traust du dich, deine Traurigkeit zu empfinden, bekommst du Glück und Zufriedenheit

Willst du deine Niedergeschlagenheit hinter dir lassen, versuche, das Naheliegende zu tun. Die Ursache dafür, dass du traurig bist, aus dem Weg schaffen. Oft sind wir zu sehr gefangen in unserer Schwermut, dem Schmerz über den Verlust oder die Enttäuschung.

Gelingt es dir, die Ursache für deine gedrückte Stimmung zu beseitigen oder zu mildern, bekommst du die Kontrolle über dein Leben zurück. Du fühlst du dich weniger ausgeliefert und setzt der Traurigkeit einen bewussten und zuversichtlichen Schritt entgegen.

Waren wir nicht alle schon mal in diese Situation: Es ist etwas geschehen, das lässt sich auf keinen Fall mehr rückgängig machen. Die Partnerin, der Partner ist ausgezogen und kommt nicht mehr zurück. Du verlierst deine Arbeit und findest auf die Schnelle keine neue. Situationen, in denen es wichtig ist, zu versuchen, die Traurigkeit zuzulassen und zu spüren. Bist du traurig, sorge gut für dich.
Du darfst weiterhin traurig sein. Du darfst dir was Gutes tun. Ein Wohlgefühl erleben in deiner Traurigkeit. So gut es geht.

Es ist nicht einfach. Wiegt die Schwermut schwer und intensiv, ist es unvorstellbar, es gäbe etwas, dass gut tut. In sehr niedergeschlagenen Situationen scheint das Schwere und Traurige alles, was ich tue, zu durchdringen. Ein wenig ist es so, und das darf es auch. Schliesslich ist die Traurigkeit da.

Oft gibt es einen Weg, damit die Betrübtheit dich nicht gefangen nimmt. Wie ein Windhauch, der durch deine Traurigkeit zieht. Ein feines Sonnenlicht, das auf deine Niedergeschlagenheit scheint und alles heller macht.

Du. Ich. Wir sind alle verschieden. Was dir gut tut, muss nicht zwingend mir gut tun. Frag dich: Was tut mir gut?

Sport. Spaziergang am Seeufer entlang. Ein wohltuendes Bad. Backen. Unkraut jäten. Probiere aus, was gut für dich ist. Eine Verabredung mit der Freundin, mit dem Freund kann Wunder wirken. Da brauchst du kein aufgesetztes Lächeln zu zeigen. Im Gegenteil, du kannst und darfst traurig sein.

Die Traurigkeit zu spüren, sie zuzulassen, kann helfen, neue Kraft zu bekommen. Beides hat Platz. Nebeneinander. Die traurigen Gefühle und die freudigen Gefühle. Freude und Traurigkeit. Beides gehört zusammen.

Abschied nehmen. Sich trennen. Aufgeben, einen Teil von sich selbst. Etwas dem Wind überlassen. Dem Wasser. Den Wellen. Das Sterben lernen. Jeden Tag ein wenig, für das Neue, das folgt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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