«Ich hab gekocht. Ihr wascht ab.» Ich. Immer. Nach dem Kochen. «Wer kocht, hinterlässt die Küche sauber.» Ich. Immer. Koche ich nicht.
Lieber Christian. Lang, sehr lang ist es her seit meinem letzten Brief. Viel ist passiert. Wir wohnen nun in Walenstadt. Seit drei Monaten. So richtig angekommen, mit allem drum und dran, bin ich (noch) nicht. Ich tu mich schwerer als ich es mir vorgestellt hab. Gut möglich, dass es an meiner nicht vorhandener Motivation liegt. Du, MaBelle und die anderen sind überzeugt, neue Freunde hier zu finden sei kein Problem für mich. Ja, im Grunde stimmt das. Nur?
Ich kann mich nicht aufraffen. Ich weiss nicht, wo ich ansetzen soll. Muss schliesslich von vorne anfangen. Und schreib ich dir von vorne, mein ich das wirklich so. Ich habe so viel im Klosterdorf zurückgelassen. Ersatz für die Arbeit in der Selbsthilfe hab ich noch nicht. Da bin ich dran. Nun bin ich Begleitperson im Hospiz Sarganserland. Nächstens fange ich den «Palliative Care»-Grundkurs an.
In der Zeitung steht, im Nachbardorf gibts einen Töpferkurs. Da geh ich hin. Bei der Anmeldung musste ich hinschreiben, was ich töpfern will. Du kennst mich, lieber Christian. Ich mache weder Vase, noch töpfere ich Minions und schon gar keine freizügigen Weibsstücke. Nein, ich will meine Urne kreieren. Uii. Kurz nachdem ich meine Anmeldung abgeschickt habe, klingelt das Telefon. Die Töpferfrau fragt mich, ob ich im ernst eine Urne machen wolle. Logisch. Will ich.
Freunde in Walenstadt? Gut Ding will Weile haben. Mon meilleur ami, weisst du, wer auch noch nach Walenstadt gezogen ist? Mein Fellnasen-Freund Bilbo mit seinem Chef. Mit Bilbo und Martin habe ich schon zwei Freunde hier. Fahre ich mit meinem Blumenvelo durchs Städtli, gucke ich ab und zu bei Piroschka rein. Sie hat einen Flohmarkt, da findest du so allerlei. Oder bei meinem lieben Freund Martin. Seit neustem ist sein Büro in einem Antiquitätenladen. Und da hockt er auf seinem coolen Holzbürostuhl. Und Remo. Der Briefträger. Mit dem lässt sich wunderbar plaudern. Egal, wo ich ihn antreffe.
Ersatz für meine Walkingfrauen gibts nicht. Da geh ich nun alleine. Boah, die fehlen mir. Und wie. Unsere Tochter Nr. 2 hat die Gelegenheit unseres Umzugs gepackt und wohnt nun in ihren eigenen vier Wänden. Sie fehlt mir uusinnig. Ihr Kommen und Gehen zu allen möglichen Tageszeiten fehlt mir. Oft hockten wir zusammen und tranken Kaffee miteinander.
Logisch. Kinder hast du nicht zum Festhalten. Du musst sie unterstützen, ihnen Neues zeigen und hoffen, dass du es schaffst, sie zu selbstständigen Menschen zu erziehen. Gibst du mir recht, sage ich: Kinder haben ist der totale Crash-Kurs im Loslassen.
Oft steh ich in der Küche und denke: «Um Himmels willen, wieso tust du dir das an?» Ist es nicht so? Gemotzt wird so oder so. Da spielt die Anzahl der Goofen keine Rolle. Was heute ein Lieblingsessen ist, wird in zwei, drei Wochen als grusig abgestempelt. Schampar nervig ist: Da kommen die Kinder glücklich Heim, fragen, was es zu essen gebe. Und Zack – die gute Laune ist von dannen. Bei einem von den vieren bestimmt.
Steht unser Nachbar auf seinem Balkon und zieht sich eine Zigi rein, guckt er direkt durch meine Küchenterrassentüre. Sieht er mich, winkt er mir zu. Steh ich auf der Terrasse, können wir bequem miteinander reden. Geil, sag ich dir. Es ist ein Dreigenerationenhaus. Zuunterst wohnen die «Alten». Also die Senioren. Und in den anderen Wohnungen ihre Kinder mit Familien. Alle schampar lieb. Und gesprächig.
Ein herrliches kleines Gärtchen hat der Patron. Da muss ich vorbei, will ich unser Haus verlassen. Inzwischen kenne ich seine Frau und (fast) all seine Töchter, Söhne, Schwiegertöchter, Schwiegersöhne und die Enkelkinder. Ich weiss, dass sie aus der Türkei kommen und er in derselben Firma angestellt war, wo nun mein Kerl schafft. Kriege Zucchetti und Peperoni aus seinem wunderbaren Gärtli.
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