Tagebuch

Grösse und Wille sind zwei paar Stiefel

Meine Schöne, erinnerst du dich an die Zeit, wo du dich beim Telefonieren frei bewegen konntest? So weit das Kabel reichte.

 

Egal, was in meinem Leben läuft. Ich liebe Erinnerungen, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Nostalgie, ein wunderbares Gefühl. Es bitzeli Sehnsucht und Wehmut ist dabei. Wir erleben Dinge im Leben, die uns schöne Erinnerungen bescheren. Und an die denkst du gerne zurück. Wann immer du magst. Stimmst du mir zu?

Mit der ersten Liebe machten sich die ersten Schmetterlinge im Bauch bemerkbar. Und sie bringen das Herz zum Fliegen. Welch wunderbares Gefühl. Meine Liebe, gehst du weiter zurück in der Zeit, werden das nostalgische Gefühl und die Erinnerungen stärker. Die Freude über eine Tafel Schokolade, vollgeklebt mit Batzen von meinem Grösi. Der Kampfer-Duft, wenn wir eine meiner Tanten besuchten. Das kratzen der selbst gelismeten Kniestrümpfe spüre ich noch heute. Die trug ich sonntags, wenn die ganze Familie spazieren gehen wollte.

Und heute? Heute sinds die eigenen Goofen. Sie sitzen am Küchentisch und schwelgen in Erinnerungen. Läck, wie die Zeit vergeht. Musst wissen liebe Christine, ich hör da Dinge, von denen ich nichts ahnte.

Und was sie mir alles vorhalten. Echt jetzt. Ich glaub ich hör’ nicht recht. Du weisst ja, unser Jüngster war viel zu klein. Mangels fehlender Wachstumshormone. Da dauert die Therapie Jahre, bis er eine vernünftige Grösse hatte. Und warum diese Tatsache nicht es birebitzeli ausnutzen?

Mit zehn Jahren hatte er die Grösse eines Sechsjährigen. Da stand ich mit ihm an einer Bergbahnkasse. Will Billette für uns lösen. Was geschah? «Der Kleine ist sicher erst sechs, da fährt er gratis bei uns», sagt die ältere Frau hinter der Glasscheibe. Na dann. So bekommt unser Sohn ein farbiges Kinder-Billett. Mich freuts, der Kleine ist sauer. Megasauer. Uii, ma Belle. Da bekam ich was zu hören in der Gondel.

Von nun an fuhr er schampar viel mit den herzigen, farbigen Kinder-Billetten, die es überall gib. Ein schlechtes Gewissen hatte ich nicht. Für seine drei Schwestern bezahlte ich ja …

Uii, ich muss dir noch was Witziges erzählen. In den Herbstferien auf der Riederalp gingen wir wandern. Unser Burscht blieb in der Wohnung. Abgemacht war, ich meldete mich, wenn wir in der Mittelstation-Beiz sitzen würden. Dann könne er mit der Gondel zu uns kommen. Naja. Klappte nicht. Der Gondelmann liess ihn nicht allein fahren. Er sei zu klein. Ohne einen Erwachsenen dürfe er nicht in die Gondel. Okay, ich fuhr hinauf, um ihn zu holen. Läck, war unser Bub sauer. Immerhin war er dreizehn. Boa, muss ich mich beherrschen. Ich fand es hejbsch lustig.

Gemeinsam fahren wir hinunter. In der Tasche ein Gratis-Abo. Als Entschuldigung darf er für den Rest der Ferien kostenlos Bergbahn fahren. Ich fands cool. Meine Liebe, du kannst dir vorstellen, er fand das ganz und gar nicht lässig.

Und da du den «Kleinen» seit einer Ewigkeit nicht gesehen hast, sag ich dir: Unser Burscht ist mittlerweile der Grösste. Er hat sein Ziel erreicht, grösser zu sein als sein Vater. Du weisst bestimmt, von wem er diese Disziplin geerbt hat.

 

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