Tratschen

Wir ziehen uns das Tütchen rein und basteln lustig weiter.

Bei meiner Beerdigung stehen zwei Kerle in schwarzen Anzügen und Sonnenbrille abseits. Beobachten alles. Da denken alle, ich führte ein geheimes Doppelleben.

 

«Wir basteln uns …». Erinnerst du dich an Jean Pütz und seine Hobbythek? Wie wir gemeinsam vor der Kiste hocken mit Bleistift und Block? Und alles genau notieren?

«… natürliche und umweltfreundliche Binden.» Selbernähen ist trendy. Somit nähen wir diese Stoffdinger. Ma Belle, haben wir das echt getan? Uns Stoffbinden genäht? Ich fass es nicht. Im Grunde haben wir, tun wir noch, uns fantastisch ergänzt.  Du und ich. Und während ich nähe, kotzt du in den Güselkübel, der neben mir steht. Und deine Mam? Schimpft mit dir. Du sollst nicht ständig so viele Brownies mampfen. Läck, was bin ich erschrocken, als sie eins dieser Hanfdinger nahm. Und hineinbiss. Und zu mir giftig meint, ich könne ruhig einmal was anderes backen. Jedes Mal sei dir schlecht geworden von meinen grässlichen, Scheiss-Schokodingern. Saulustig hatten wirs an diesem Abend bei dir daheim.

«Ich töpfere mir meine letzte Wohnung.» Jean Pütz würde vor Freude ausser sich sein. Sähe er meine neuste, umweltfreundliche Kreation. Meine Schöne, ich sitz am Tisch mit ein paar Frauen. Die Töpferfrau fragt der Reihe nach jede Frau, was sie machen will. Holt den passenden Ton und zeigt, wie «frau» anfängt. «Christine, ist es okay für dich, bist du die Letzte?» fragend guckt Mona, die Töpferfrau, zu mir.

Mona und ich diskutieren. Wie gross die Kugel sein muss. Ob ein Durchmesser von 25 cm genügt oder doch eher eine 30-cm-Kugel.

«Ach, ich nehme die kleinere. Ist sie zu klein, was solls. Der Rest wird weggekippt.» «Machst du einen Suppentopf?» Fragend guckt Sarina zu mir. «Nein. Ich töpfere mir meine Urne.» Meine Antwort. Grinsen in jedem Gesicht. Nur nicht bei Mona. Sie guckt gespannt. Boah, die Augen, als die Frauen merken es ist mein Ernst. Darauf folgt eine schöne, interessante Diskussion.

Ich stell ein Bild von meiner nicht fertigen Urne ins FB. Für dich. Ich möchte dir jetzt meine halbfertige Kugel zeigen und nicht erst einen Brief schreiben. Uff, liebe Christine. Unterschiedlicher können die Meinungen gar nicht sein.

«Cool, du hast es gemacht.» «Und deine Familie? Ist sie einverstanden?» «Nee, das ist jetzt nicht dein Ernst, gäll?» «Was machst, gefällt dir deine Kugel in 20 Jahren nicht mehr?» «Wie bist du denn drauf?» Oder. «Ist es nicht es bitzeli zu früh für deine Urne?» Weisst du, was mir aufgefallen ist? Die wenigsten sagen Urne zu meiner Urne. Es ist bei (fast) allen «deine Kugel».

Auf der Heimfahrt ist ein Puff auf der Strasse. Ferienzeit. Ich warte bei der Kreuzung und denk für mich: «Super, hast nun einen Unfall, können sie dich direkt mit der Kugel ins Krematorium bringen. Hei wie die wohl gucken.»

Zu Hause angekommen. Suche ich einen Platz für meine Urne. Nun steht sie in der Stube. Blickfang für Jeden und Jede. Ich bin überrascht. Weisst du, liebe Christine, für meine Familie kein Thema. Als wäre es selbstverständlich, die Urne der Frau und Mutter im Wohnzimmer aufzustellen. Ma Belle, meine Liebe, du kannst dir vorstellen, irgendwas muss noch kommen. Von meinem Kerl.

Ich hock auf der Couch guck zur Urne – und? Eine weisse Karte steht daneben. Ich geh zur Kugel. Da steht «Ich bin eine Urne.» Fragend schau ich zu meinem Kerl. Und er? Schulterzucken. Und meint: «Im Kunstmuseum schreiben sie ebenfalls an, was es ist. Das erspart das Fragen.»

 

 

 

 

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