Tratschen

Die Müritz: Mecklenburgs Meer.

Nach einigen gemeinsamen Jahrzehnten stupse ich morgens im Bett meinen Kerl an. Ich gucke, ob er noch lebt. Ich muss ja wissen, wieviel Croissants ich holen muss.

 

 

Sonnenbrille und grosser Strohhut sind die perfekte Tarnung. Weisst du, ich liege am Strand vom Müritzsee und schaue dem Tun rundherum zu. Meine Schöne, ich erhole mich hier an der Mecklenburgischen Seenplatte. Ein Traum, sag ich dir.

Kein Platz ist frei. Vollgepackt mit halb blutten, weissen, roten, sonnengebräunten Campinggästen. Besonders im Schatten. Es herrscht Krieg. Alle wollen im Schatten liegen. Nur der Schatten ist leider beschränkt. Ich gucke einem gebräunten Kerl, Mitte 40, zu, wie er seinen perfekten Platz sucht. Ich sag dir, als Kerl kannst du schampar viel falsch machen.

Nachmittag um vier. Die Sonne brennt, gefühlte 48 Grad, am Campingstrand. Schnurstracks geht er zu dem Platz mit Büschen und Palmen. Die stehen etwas abseits. Ein hübsches Eckchen. Mit besonders viel Schatten. Schnell platziert er sein Badetuch. Zieht sich aus und legt sich hin. Läck mir. Der Kerl hat Nerven. Hihi, Ma Belle. Er ist der einzige mit Badetuch. Um ihn herum Liegestühle. Verbleichte alte Liegestühle, wo du die Farbe erahnen kannst. Die Ladys, die draufliegen, strafen ihn mit verachtenden Blicken. Liebe Christine, alles ledrige, gut durchgebratene Untoten. Keine unter 80. Der Platz ist reserviert, inoffiziell, für Dauercamper.

Die liegen bestimmt seit Jahren da, zwischen den Büschen und Palmen. Die wohnen da. Und dieser bleiche Jüngling liegt dort. Genau auf dem Platz von Margritli. Okay, ob die Dame Margritli heisst, weiss ich natürlich nicht. Aber dieser Platz ist reserviert. Eine Lady fehlt noch. Ob er das weiss? Er denkt es sich bestimmt. Der gutaussehende Kerl packt seine Sachen und flüchtet.

Er will bestimmt ans Wasser. Er waggelt Richtung See. Ups. Jetzt wird es spannend. Er geht auf einen schattigen Platz, direkt beim Schwimmbecken. Genauer Kinderschwimmbecken. Oh Gott, dieser Kerl hat vielleicht Nerven. Die Mamis gucken ihn an. Sie töten ihn mit ihren Blicken. Blicke die sagen: «Was willst du allein am Rand des Kinderbeckens? Ohne eigene Goofen.»

Zum Glück merkt er es, bevor er sich hinlegt. Und er sucht erneut. Der Kerl guckt auf die andere Seite. Dort hocken Jungs und Mädels. Naja, da wird er wohl nicht hinwollen.

Er flüchtet in die Mitte vom Badeplatz. Aus dem Schatten an die Sonne. Ma Belle, du kannst dir vorstellen, da hat es hejbsch viel Platz. Alle, die an dem Kerl vorbeilaufen, gucken ihn an und denken dasselbe. «Welcher Vollpfosten liegt in der grössten Hitze in der Badi an der prallen Sonne?»

Meine Liebe, kommst du in der Badi an einem Kerl vorbei, der an der prallen Sonne liegt, verurteile ihn nicht. Zeig Mitgefühl und spendiere ihm ein Glace; noch besser, lade ihn ein auf ein Bier.

 

 

 

 

 

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