Tratschen

Ich langweile mich und geniesse es.

Da mach ich Ferien und was passiert? Nix. Kein einziges Fettnäpfchen zeigt sich, wo ich reintrampeln könnte. Hmm, was denkst du, meine Liebe? Liegt es daran, dass ich allein bin? Mein Kerl nicht an meiner Seite steht?

 

Ma Belle. Meine Schöne. Spontan hab ich all meine Termine abgesagt. Verschoben oder gestrichen. Für diese Woche. Ich gucke meinen Kerl an mit meinen schönen grünen Augen und meinem umwerfenden Lächeln und warte. Ach, wie schön. Es funktioniert. «Brauchst mich nicht anzuhimmeln. Komm auf den Punkt. Was für eine Idee ist es heute?» Bekomm ich von ihm zu hören.

Ich möchte Ferien. Eine Woche weg von hier. Allein. Du könntest mich mit unserem Wohnwagen irgendwohin fahren und eine Woche später wieder abholen. Coole Idee, gäll? Naja, meine Liebe, sein Blick ist nicht so cool, für ein paar Sekunden. «Mache ich Schatz», sagt er. «Ich fahre dich ins Tessin.» Jetzt bin ich platt.

Campeggio al Censo ein Katzensprung entfernt von Bellinzona. Traumhaft, sag ich dir. Saftig-grüne Wiese. Die Campingplätze sind durch Palmen markiert. Überhaupt hat es hier viele Palmen. Pink blühende Oleander. Zedernbäume. Affenschwanzbäume, Feigenbäume, um einige aufzuzählen. Es grünt und blüht, wohin du guckst.

Der Wohnwagen steht – schräg, aber er steht. Weiss gar nicht, was mit meinem Kerl los ist. Gefühlte Stunden hats gedauert, bis unser Wohnwagen da steht, wo er steht. Und schräg. Da hielt ich es für schlauer, die Schieflage nicht anzusprechen. Weisst du, ich habe keine Ahnung, warum er das nicht bemerkte. Es ist ja nicht so, dass er den Wohnwagen zum ersten Mal hinstellt. Im Gegenteil. Was ich da nicht weiss, später stresst mich der schiefe Wohnwagen.

Es dunkelt, und wir schlendern über den Campingplatz. Ich bin nicht nur in Begleitung meines Liebsten, über uns fliegen Fledermäuse in Scharen. Ich guck den Viechern zu und höre, wie mein Kerl sagt: «Willst einen Besen? Da könntest du mitfliegen.»

Die erste Nacht allein. Regen klatscht aufs Dach. Ein Blitz erhellt das innere des Wohnwagens und Sekunden später donnerts. Oh Gott, MaBelle, ich bin hellwach. Schnell schliesse ich alle Dachfenster und mache mir Gedanken, was geschähe, wenn der Boden sich aufweichen würde, der Wagen kippte? Überleb ich es eher, wenn ich auf der unteren Seite schlafe? Weisst du, ich fliege weniger durch die Luft, als wenn ich auf der oberen Seite schlafe. Ich hocke im Bett, lausche, ob ich etwas höre. Etwa, wie der Wagen auf der einen Seite versinkt. Und ich «verfluche» meinen Kerl.

Die Sonne brennt vom Himmel. Es scheint, als gäbe es einen Hitzetag. Mir solls recht sein. Ich guck den Zeltplatz eine Spur genauer an. Es gibt zu wenig WCs, und mit den Duschen sieht es gleich schlecht aus. Das glaubst du mir nicht, liebe Christine. Im Damenklo sind Papiersäcke. Genauer Brotpapiersäcke vom Beck, für die «Frauensachen». Stell dir vor, es ist Hochsaison, und der Abfalleimer im Klo füllt sich mit Papiertüten, in denen gebrauchte Tampons sind. Läck mir, wie das stinkt. Da wird definitiv am falschen Ort gespart.

Der Platz ist traumhaft, keine Frage. Nur, in der Hochsaison möchte ich nicht hier sein. Ups – und mit Kindern erst recht nicht. Ich lese ein Plakat: «Kinder dürfen nur in Begleitung eines Elternteils auf die WC-Anlagen und zu den Abwaschstationen.» Gut, aufs Klo in Begleitung – verstehe ich, ist okay. Aber zum Abwaschen? Abwaschen und Abtrocken ist Kinderarbeit, wenigstens auf einem Campingplatz. Hast du, wie wir, mehrere, ist es nur selbstverständlich, dass die grösseren die kleineren einarbeiten.

Wie geil ist das denn? Ich steh vor einem Whirlpool. Verdeckt von Pflanzen und Blumen. Nur für Erwachsene. Offen von 20 bis 22 Uhr. Bei genauerem Hinschauen stelle ich fest, er wird nicht benutzt. Ach, MaBelle, das ist schade, da wäre ich schampar gerne reingestiegen, ins sprudelnde 38 °C warme Wasser.

Der Campingplatz ist fast leer. Familie mit Kindern suchst du vergeblich. 55+ ist etwa der Altersdurchschnitt. Willst du wissen, was mir besonders auffällt? Es sind die Ü60, die sich nicht an die Regeln halten. Zwischen den Klos befindet sich ein Schüttstein. Auf Augenhöhe hängt ein mittleres Plakat. Da steht: «Nur für Händewaschen.» Ich sehe Tag für Tag eine Frau, die hier Zähne putzt und Haare strählt. Sie ist zu faul, in den Waschbereich um die Ecke zugehen.

Oder die «Hunde an der Leine»-Tafel ist unübersehbar. Das interessiert den Herrn mit dem Kläffer nicht. Sein Liebling rennt durch den ganzen Platz. MaBelle, die absolute Frechheit ist: Da stellt einer zwei Säcke mit leeren Bierbüchsen hin beim Abfall. Na gut, die Büchsen musst du einzeln entsorgen. Das ist mühsam. Weisst du, da legst eine Büchse rein, kurbelst am Rad und weg ist sie. Und ich? Was tue ich? Bevor alles zugemüllt ist, schmeiss ich eine Bierbüchse nach der anderen hinein bis beide Säcke leer sind. Ein älteres Ehepaar guckt mir zu. Oh Gott, in deren Augen bin ich bestimmt auf Lebzeit ein Süffel.

Heut ist Waschtag. Nicht wirklich. Ich wasche meine Unterwäsche vom Vortag. Ich bin durch und durch nass von Bellinzona zurückgekommen. 12 Kilometer unterwegs mit dem Velo im Regen, da bleibt nichts trocken. Und da ich mal dabei bin, wasche ich alle schmutzige Unterwäsche gleich mit. Ich zieh eine Wäscheleine vom Wohnwagen zum nächsten Baum. Und da hängt sie. Flattert im Wind. Unübersehbar. Meine Unterwäsche. Rote, schwarze und pinkfarbene BHs mit dazu passenden Höschen. Die Frau vis-à-vis guckt zu mir rüber und meint: «Ich borg Ihnen gern meinen Wäscheständer.» Meine Liebe, denkst du da dasselbe wie ich?

Meine Schöne, ich lege dir Bilder bei. Es ist ein wunderbarer Campingplatz. Perfekt, um mich zu erholen. Andere Camper hat es wenige. Es ist ruhig. Wache ich auf, höre ich ich die Vögel zwitschern und den Bach rauschen. Gehe ich ins Bett, schlafen die Piepmätze und der Bach rauscht durch die Nacht.

 

 

 

 

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