Tratschen

Jute statt Plastik.

Ich habe einen farbigen, glismeten Pulli an und bin nicht geschminkt. Meine Haare stehen ab wie bei Einstein. Keiner guckt mich schräg an, wäre ich jetzt im Bioladen. Ma Belle, bin ich nicht. Ich steh in der  Migros.

 

Braun, kratzt ein bitzeli, riecht streng, und du bekamst sie für einen Fünflieber. Ma Belle, errätst du, was ich meine? Genau die «Jute statt Plastik»-Tasche. Die gabs in den 70er- und 80er-Jahren. Sie war das Symbol gegen Wegwerfmentalität. Während sie in der Schweiz den ökologischen Wandel begleitet, konnten ihre Näherinnen in Bangladesch ihre Familien ernähren. In ihr eigenes Unternehmen investieren. Ich glaube, damit kauften sie Hühner – und züchteten Fische.

Und genau so eine Jutetasche entdecke ich unter den Dingen der verstorbenen Madlen. Du erinnerst dich, wir beide starteten unsere Verkaufstour in der Dorfmetzg. Wir wussten genau, die Metzgersfrau kauft stets allen Kindern ab, was sie für Schule, Blauring, Pfadi oder was weiss denn ich für wen verkaufen sollen. Weisst du noch, wie wir zwei eben in dieser Metzg standen und das Jute-Lied sangen: «Hey Leute, kauft in Jutetaschen ein, schibbala, schimbala, schibmaschimbala, he Leute, kauft in Jutetaschen ein schimbala»? Läck, was für ein doofes Lied. Ich glaube, viele kauften uns eine Tasche ab, damit wir schnellst möglich wieder gehen.

Erinnere ich mich richtig, hielt der Boom bis weit in die 80er-Jahre an. Obschon die Jutetasche – wer eine hatten, kann sich bestimmt gut erinnern – an den Griffen ausfransten. Grusig roch sie, und schampar unelegant war sie. Mutter liebte diese Jutetaschen.

Jeden Herbstmärt postete sie eine Jutetasche, und ich musste sie mit Stoff an den Griffen verstärken. Und irgendwann kam Madlen auf die glorreiche Idee, die ganze Innenseite mit Stoff zu überziehen. Anscheinend rochen die Lebensmittel dann nicht mehr ganz so streng nach Jute. Dass sie eine andere Stofftasche benützen könnte, dieser Gedanke kam ihr nie. Leider.

Bei jeder Jutetasche, die ich sehe, denke ich sofort an Madlen. Ma Belle, sind es nicht die kleinen Erinnerungen, die einem lebenslang von Bedeutung sind?

 

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