Tratschen

«König Kunde». Professionell vergrault.

MaBelle, stimmst du mir zu, sage ich: Lokale Geschäfte sind nur lebensfähig, wenn die ortsansässige Bevölkerung regelmässig ihre Einkäufe im Städtli erledigen. Noch besser, sie entscheidet sich für regionale Produkte.

 

Meine Liebe. Online-Shopping liegt im Trend. Fast alles lassen wir uns nach Hause schicken. Wir Schweizer sind Bestellerinnen und Besteller. Gwand, Bücher, Blumen, Medikamente. Haushaltsgeräte. Kontaktlinsen. Foodboxen. Es gibt nichts, was wir uns nicht in unsere vier Wände schicken lassen. Ich bin angekommen. Beim Online-Bestellen. Mir verleidets langsam, im Städtli einzukaufen.

Ladensterben muss nicht sein. Tolle Schaufenster. Sympathische Werbung. Blumen vor dem Eingang. Mund-zu-Mund-Werbung durchs eigene Beziehungsnetz. Wobei, all das nützt nichts, wenn noch Potenzial beim Personal besteht. Anderseits, top ausgebildetes Personal zum kleinsten Lohn funktioniert ebenso nicht. Nur, was kann ich dafür, wird das Verkaufspersonal schlecht bezahlt und ist dadurch unmotiviert? Genau – ich kann nichts dafür.

Kürzlich eröffnete an der Bahnhofstrasse ein neuer Laden. Weisst du, ich freute mich und konnte mir vorstellen, Stammkundin zu werden. Naja, wird wohl nix. Ich brauchte mehrere Ordner von Leitz. Die bekommst du in stylischen Farben und anspruchsvoller Alu-Optik. Hammer, sag ich dir. Fachgeschäft oder online? Selbstverständlich lauf ich hurtig ins Städtli – warum bestellen, gibt’s doch hier eine Papeterie.

Mir ist klar, solche werden kaum im Regal stehen. Was nicht tragisch ist. Ich möchte an die zehn Stück, und bestellen wird bestimmt kein Thema sein. Meine Liebe, ich bin schockiert. Die Verkäuferin, gleichzeitig die Inhaberin des Ladens, hat kein Interesse, mir eine Bestellung anzubieten, um die Dinger ein paar Tage später abzuholen. Kein Bock, zu faul, ein schlechter Tag? Der Grund spielt keinen Rugel. Für mich. Ich werd in Zukunft keinen Fuss mehr in diesen Laden setzen. Was solls. Wieder zu Hause hab ich die Dinger online bestellt. Günstiger und frei Haus.

MaBelle, dass einzige Geschäft hier im Städtli mit unmotiviertem Personal ist es nicht. Es ist Februar, ich wasche Hemden von meinem Kerl. Ups, was mir entgeht, ist ein roter Socken. Er blieb in der Waschmaschine. Du kannst dir bestimmt die Freude vorstellen, die mein Liebster hatte, als er sah, dass seine grün, blau, grau gestreiften Hemden alle denselben Grundton haben. Tags darauf steh ich im Gwandladen und frag nach langärmeligen Hemden.

Die Verkäuferin erklärt mir, sie hätten bereits die Frühlingskollektion. Alles kurzärmelige Hemden. Die Herbst-/Winter- Hemden seien im Lager. Auf meine Frage, ob sie drei oder vier Hemden in Grösse L aus dem Lager holen würde, bekam ich die Antwort: «Unser Lager ist im Nachbarsdorf, das geht nicht so schnell.» «Kein Problem für mich. Ich komme Ende Woche vorbei. Die Hemden abholen», sag ich zu ihr. Und sie? «Nein, das ist zu kompliziert, das macht meine Chefin nicht gern.» Echt, liebe Christine. Ich traue meinen Ohren nicht. Die Verkäuferin könnte vier Hemden für knapp 400 Franken verkaufen. Jedoch ihre Chefin müsste ins Lager fahren und diese holen. Tja, die Hemden bestellte ich am gleichen Tag online.

MaBelle, ist die Königsdisziplin im Einzelhandel nicht die freundliche, kompetente Beratung?

 

 

 

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