«Gopfriedstutz, darauf habe ich nun echt keinen Bock.» «Tja, Mam, so ist das Leben.» Du kriegst schampar viel zurück von deinen Goofen. Sogar die eigenen Sprüche.
Meine Liebe, du weisst ja, in unserer Stube steht meine von mir selbst getöpferte Urne. Eine wunderschöne dunkle Kugel, verziert mit Efeuranken, deren Blätter in einem unauffälligen Grün sind. Ein schönes Dekostück für viele, solange sie nicht wissen, dass meine Asche einmal darin aufbewahrt wird.
Ich hocke, wie oft, auf unserer Couch und guck meine letzte Wohnung an. Soll ich die Efeukugel als Vase zweckentfremden und jede Woche einen frischen, farbigen Blumenstrauss hineinstellen? Oder mit Kaugummi & Bonbons füllen? Oder mit den Schöggeli, die ich bei Madlen im Keller fand? Läck mir, Ma Belle. Beim Keller räumen kamen Lindt-Schöggeli zum Vorschein. Haltbar bis Januar 2007. Ich probierte alle, zu Hause, und erntete schockierte Blicke von meinen Kindern. Milchschoggi, mit Haselnüssen, schwarze Schoggi, alle waren geniessbar – ausser die weisse Schoggi.
Ma feuille de coeur, in meine letzte Wohnung kommt ganz was anderes. Ein Geschenk. Ein ungewöhnliches Geschenk an meine Kinder. Geld und ein persönlicher Brief für jedes von meinen fünf Kindern. Genau. Du liest es richtig. Fünf Kinder. Fabien bekommt auch ein Brief. Mit der Bitte an meine Erdenkinder, sie mögen Fabiens Brief mir mit in die Urne geben.
Mit dem Geld sollen meine Kinder sich einen gemütlichen Abend zu viert machen. Egal wo und wie. Hauptsache, sie haben Spass miteinander. Die Briefe? Mein persönliches Abschiedsgeschenk an jedes meiner Kinder.
Boah, Briefe an seine Kinder schreiben, mit dem Gedanken, wenn sie die lesen, bist du tot, ist alles andere, nur nicht leicht. Ich fange mit der Erstgeborenen an. Mein Weihnachtskind, kaum da, hat mein Leben schön auf den Kopf gestellt. Ich schreibe, lächle vor mich hin, und ein paar Sekunden später kullern mir Tränen vor Glück und Trauer, vor Rührung und Freude über die Wange. Ich schreibe Brief um Brief und meine Gefühle fahren Achterbahn. Stunden später habe ich fünf Briefe. Ich mag keinen davon lesen.
Eine Woche ist vergangen. Ich sitze an meinem Lap, lese Brief für Brief. Mir gefällt, was ich da lese. Weisst du was, meine Schöne? Ich bin stolz auf mich. In der Papeterie habe ich für jedes meiner fünf Kinder passendes, schönes Schreibpapier besorgt. Selbstverständlich schreibe ich jeden Brief von Hand. Inklusiv Schnörkeleien und Verzierungen. Das weckt bestimmt Erinnerungen bei den Goofen, weil: Entschuldigungen für ihre Lehrerinnen und Lehrer wurden stets illustriert. Du kennst mein zeichnerisches Talent. Uii, die Gesichter von den Kindern. Von peinlich zu entsetzt über ist mir egal zu voller Freude bekam ich alles.
Fertig geschrieben sind die Briefe nicht. Werden sie nie sein. Erst wenn ich stillgeworden bin. Solange werden die Briefe an meine Kinder geschrieben – meins, deins, unser Geheimnis sein.
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