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Le Mont-Saint-Michel

«Mein Kerl, die faule Nuss, wird Hokuspokus Fidibus, ganz niedlich und ganz klitzeklein, in einen Frosch verwandelt sein.» Zaubersprüche erfinden kann ich. Mich freuts. Meinen Kerl weniger.

Ma Belle, meine Liebe. Der Mont Saint-Michel pappt seit Ewigkeiten an meinem Kühlschrank. Genaugenommen seit 38 Jahren, du warst mit 16 in der Normandie, und ich bekam eine Postkarte. Ich verliebte mich in das wunderschöne Bild dieser felsigen Insel. Seit dem Augenblick wünschte ich mir, den Mont Saint-Michel mit meinen Augen zu sehen. Nun ist fertig gepappt. Die Mont-Saint-Michel-Karte liegt im Altpapier.

Ich steh in der Mitte der Strasse, geniesse den Augenblick und vergesse alles um mich herum. Die vorbeiwuselnden Menschen, das Gekreische der herumfliegenden Möwen. Selbstverständlich auch meinen Kerl. Ma Belle, meine Schöne, meine Gefühle fahren Achterbahn.

Der Mont Saint-Michel. Der Klosterberg. Wie eine Ritterburg steht er da auf der felsigen Insel. Pyramidenförmig ragt die Abtei in den Himmel. Boah, welch traumhafter Moment. Für mich. Zauberschön ist der Mont Saint-Michel. Tränen der Freude kullern über meine Wangen.

Unsere Sommerferien in Frankreich sind ein Traum. Wunderschön, verträumt, idyllisch, das Val de Loire. Windig. Rau. Traumhaft. Die Atlantikküste in drei Worten.

2021. Bei ungeraden Jahren sucht mein Kerl die Campingplätze aus. Meine Liebe, du kennst mich und weisst, dass ich nie einen Patz google, den mein Kerl aussucht. Ich lass mich überraschen. Vielleicht müsste ich das in Zukunft ändern. Mein Kerl hat *****Campingplätze ausgesucht. Stell dir vor. Einen Fünf-Sterne-Campingplatz. Lauter kultivierte Menschen. Keine grölenden Säufer, keine Kiffer, keine lärmenden Gofen. Nix. Gehst du nach 20 Uhr biseln, triffst du niemanden mehr. Da herrscht Ruhe und Ordnung.

Am vierten Tag scheint es birebitzeli die Sonne. Endlich. Meine Liebe, ich habe mir extra für die Sommerferien einen brandneuen Bikini gekauft. Einen von der Sorte, die ich daheim selbstverständlich nie tragen werde. Hier ist es kein Problem. Kennt mich ja keiner. Liegestuhl auf und nach langem Hin und Her einen idealen Platz gefunden. Während ich, mit Strohhut und grosser Sonnenbrille, auf die Sonne warte, gucke ich unseren Nachbarinnen beim Zeltaufstellen zu.

Mein Gott, das glaubst du nicht. Zu dritt, alles junge Frauen, wollen sie ein hellgrünes Zelt aufstellen. Die Diskussion, wo das Zelt stehen soll, dauert länger als das Aufstellen. Wie so oft, kommt das Beste zum Schluss. Da sie keine Heringe haben, um ihr hellgrünes, tunnelförmiges Zelt am Boden zu befestigen, wirds kurzerhand an den Felgen fixiert. Mit einer Schnur, die nicht einmal angespannt ist.

Mein Kerl setzt sich neben mich. In der Hand eine Bierflasche. Ich: «Willst du ein Held sein? Für drei Frauen, die so alt sind wie deine drei Mädels? Du musst nur den Fehler finden.» Und zeige auf das Auto. «So doof sind unsere Mädels nicht. Logisch, sind meine Kinder», bekomm ich von ihm zu hören. Mein Kerl will aufstehen. «Bleib sitzen, wir gucken zu, bis sie fertig sind», sage ich flüsternd, keiner ausser meinem Kerl soll mich hören. «Ist nicht dein Ernst, du willst sie fertig aufstellen lassen? Wie bist denn du drauf?», bekomme ich von meinem Kerl zu hören. «Wie bist denn du drauf?», wiederhole ich leise und verdrehe meine Augen. Zu ihm sage ich: «Gut möglich, dass ich verblöde vor Langweile».

Zwei Stunden später, mein Kerl ist zum Helden unserer Nachbarinnen geworden, gammle ich auf meinem Liegestuhl rum und erfinde Hexensprüche.

Ene, mene vor dem Zelt, da steht ne grüne Hecke, leben sollst du da – als Schni-Schna-Schnecke.

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