Tratschen

Mich nervt nichts mehr. Ich hab einen Tarnmantel. Schön wär`s.

Ich will eine Tarnkappe. Noch besser einen Tarnmantel. Ein kleines Tarnmäntelchen würde ebenfalls genügen. Meistens. Liebe Christine, so ein Mäntelchen könntest du über all das werfen, was dich grad nervt. Schwupps. Weg ist es. Wäre schono cool, gäll?

Weisst du, meine Liebe, ich kann dir eine Teilaufzählung liefern, was ich alles verschwinden lassen täte. Unmöglich, alles aufzuzählen. Mich nervt so einiges. Momentan.

Mein Tarnmantel fliegt über:
* Ständigmotzende, augenrollende Kids. Die kämen zuerst.
* Die schreienden, stampfenden Goofen in der Migros. Wenn sie Zeter und Mordio schreien, falls sie nicht bekommen, was sie wollen.
* All die Mamis, die Verpackungen von Esswaren auf das Band bei der Kasse legen. Schliesslich wird gegessen, wenn ihre Lieblinge Hunger haben. Ob bezahlt oder nicht, ist wurscht. Tja, nicht alle bekommen eine gute Erziehung, gäll?
* Die Schuhe und Rucksäcke im Hauseingang.
* Den Waschberg, der seit Tagen wartet, damit er abgearbeitet wird.
* Unaufgeräumte, chaotische Zimmer der Jungmannschaft.

MaBelle, wäre es nicht traumhaft, so einen Mantel zu haben? Einen Mantel, der eine chaotische Bruchbude Schwuppdiwupp in ein schönes, sauberes, gut gelüftetes Zimmer verwandeln würde? Der Renner schlechthin.

Ich kenne (fast) niemanden der sich nicht jeden Tag über den Saustall in den Buden seines Nachwuchses nervt. Gehörst du etwa zu dieser Spezies? Die Sich-nicht-Nervenden. Weisst du, regelmässig nehme ich mir vor: Ab heute ist Schluss. Ich rege mich nicht auf. Türe zu, und ich lass es gut sein. Denkste. Klappt überhaupt nicht. Bricht Tag drei an, nerv ich mich wieder.

Meine Liebe, warum nerven wir uns von Tag zu Tag? Woche für Woche. Und das über Jahre hinweg über unaufgeräumte Zimmer? Und warum nimmt es zu, je älter unsere Kinder werden. Die Arbeit sollte doch weniger werden, abnehmen. Warum um Himmels Willen habe ich es nie geschafft, ohne zu meckern und predigen durch eins unserer vier Kinderzimmer zu stampfen?

Eigentlich will ich nichts sagen. Nehme mir vor, in eins der Zimmer zu gehen, ohne ein Wort zu sagen. Klappt selten.

• Ein Gäll, du räumst heute noch auf?
• Oh mein Gott. Wie sieht es hier aus?
• Wozu brauchst du einen Schrank? Dein Gwand ist überall, nur nicht dort, wo es hingehört.
• Fühlst du dich wohl in deinem Zimmer? Nicht wirklich, oder?

Solche Sprüche kommen meist von meiner Seite. Ab und an kann ich meinen Mund nicht halten, und es gibt Drohungen. Fragwürdige Drohungen.

Wenn du jetzt nicht augenblicklich aufräumst, dann …
… schmeiss ich alles zum Fenster raus. Okay, gefährlich wirds, steht das Fenster offen. Da fliegt ab und an die Schultasche meinen Worten direkt hinten nach.
… bekommst du nix zum Geburtstag.

Oder der Klassiker von allem:
… hole ich einen Güselsack und schmeiss alles weg. Einmal war ich knallhart und habs durchgezogen. Diese grossen Augen, diesen entsetzlichen Blick unserer Tochter, den bin ich bis heute nicht losgeworden.

Ich weiss überhaupt nicht, was mich genau ärgert an dieser Unordnung. Solche Zimmer findest du en masse auf der Welt. Schaden tuts nicht. Ein Puffzimmer. Hat noch keinem geschadet. Es haben all unsere Kinder einen Job. Abgerutscht in die Drogenszene ist keines. Da hatten wir Glück. Und unter der Brücke ist keins gestrandet. Habe ich Angst, dass meine Kids unordentlich bleiben? Muss ich nicht haben. Die beiden älteren Mädels wohnen aufgeräumt, harmonisch.

Ich dachte immer: «Kinder müssen lernen, sauber und ordentlich zu sein.» Falsch. «Unsere Kinder werden so oder so ordentlich. Früher oder später.»

Aus eigener Erfahrung, meine Liebe, das weisst du selbst. Dein aufgeräumt, ist nicht dasselbe aufgeräumt unserer Kinder. Ich muss dir was Lustiges erzählen, Carissima. Eines unser Mädels musste ihr Zimmer aufräumen. Sie ruft mich, und voller Stolz präsentiert sie «ihr» aufgeräumtes Zimmer. «Das ist aufgeräumt?», frage ich. Mein erster Gedanke. Voller Erwartung guckt sie mich an. Hüpft von einem Bein auf das andere. Problemlos. Zwischen Barbieschuhen, Legoteilchen, Puzzle, Bastelsachen, Malstifte und was weiss ich noch alles.

Weisst du, gebastelt, geklebt, gemalt wird auf dem Boden. Sicher nicht auf dem Pult. Ist halt bequemer so auf dem Fussboden. Du kennst das, gäll?

«Du nein. Also, ähm, das sieht doch noch so wie vorher aus?» «Nö. Fällt dir nichts auf?» Nein. Mir fällt nichts auf. Ich überlege mir, was ich sagen soll. Doch die Kleine klärt mich auf. «Mamiii. Guck, die Schubladen sind zu. Das Gwand ist da, alles auf dem Stuhl. Und hier, von der Tür her habe ich einen Weg gemacht. Bis zum Bett. Schön, gäll.» Oh Gott. Das sieht aus als ob … Schockiert schaue ich unters Bett. «Du hast einen Weg freigeschaufelt? Alles unter dein Bett?» «Warum nicht? Du hast ja nicht gesagt, wie ich aufräumen soll. Mir gefällts.» Und sie hüpft weiter.

Tja. Das eigene Zimmer. Eine kleine perfekte Welt. Für mein Mädel.

MaBelle, gibst du mir recht, wenn ich sage: «Unser Leben wäre langweilig ohne unsere Kinder.»

 

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