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Christine Friedli

Hexe Tililit

Tante TililiT

«Woran erkenn ich eine Hexe?» Das fragt sich wohl jeder Sterbliche. Ist es der Besen, der draussen vor der Tür, links an der Hauswand lehnt? Oder eher die hässliche Warze auf der Nase. Ist es die schwarze Katze auf ihrem Buckel? Oder sind es die Fledermäuse, die nachts um ihr Haus fliegen, die eine Hexe verraten?

Merit will ins Val Lumnezia. Ihre Tante besuchen. Die Kirche mit Kuppel und einer aufgesetzten Laterne wirkt gigantisch. Eine Laterne ist durchfenstert, und die Sonne strahlt hell ins Innere der Kirche. Gleich dahinter kommt ein wunderprächtiger Wald. Genauer, ein Zauberwald. Ein kleiner Pfad führt über Moos und Steine, entlang einem rauschenden Bächlein. Merit hüpft über das schmale, wacklige Brücklein und steht vor dem kleinen, schiefen Häuschen von Hexe TililiT. Zauberer Badins kleiner Schwester. Einen Waldgarten gibts da. Zauberschön, sag ich euch.

Fuchsschwanz, Ochsenzunge, Katzenpfötchen, Zwergglockenblume und weiss der mächtige Geier was noch alles. Das Hexenkraut mit seinen feinen, weissen Blüten steht stolz mittendrin. Zwischen den Blumenbeeten, die aussehen wie ein farbiger, weicher Teppich, gibt es schmale Wege. Schnecken, Igel und Schmetterlinge – einer schöner als der andere. Und AisnetroH. Naja, ausser TililiT, kann keiner dieser Name richtig aussprechen.

AisnetroH ist ein Einhorn und heisst eigentlich Hortensia. Ihr wisst ja, TililitT verdreht gern die Wörter. Da kommt es vor, dass der letzte Buchstabe plötzlich der erste ist. Wollt ihr wissen, warum es AisnetroH, pardon, Hortensia heisst? Hortensien sind zauberhafte Blumen, die ihre Farben wechseln können. Und Hortus heisst «zum Garten gehörend». Nun, TililiTs Einhorn kann ebenso seine Farben wechseln. Von Weiss über … halt, dass verrate ich euch (noch) nicht. Jedenfalls findet ihr Hortensia im Waldgarten der Hexe.

Merit sitzt still inmitten der vielen Blumen. Mit ihren leuchtenden Farben und feinen Gwändern. Und hört den Blumen zu. Sie versteht die Blumensprache. Schliesslich ist sie eine Hexe. Genau wie Tante TililiT. Tante TililiT hat die Gewohnheit, Namen und Wörter rückwärts auszusprechen. Zauberer Badin nennt sie «seine kleine verrückte Hexenschwester». Sie redet nämlich mit den Blumen und Tieren.

«Guckt, wie wir vornehm sind», hört Merit die Tulpen. Die ihre rot leuchtenden Kelche der Sonne entgegenstrecken. Ihre Köpfe sind schwer. Sie müssen sich anstrengen, die Häupter nicht hängen zu lassen. «Wir können uns ebenso zeigen», ruft die Osterglocke. Ihre goldgelben Kleider glitzern in der Sonne. Wunderbar. «Wir schmücken den Tisch zum Hexenfest. Das können wir prima.»

«Hexenfest? Da passen meine feinen, hellrosa Blüten schampar gut dazu. Und wie sie duften.», ruft die Kletterrose von der Hauswand her. «Fein riechen tu ich ebenso», hört Meret eine leise Stimme. Und guckt in die Richtung, aus der die Stimme kommt. Das Maiglöckchen. «Wir brauchen kein Fest. Wir sind an einem gewöhnlichen Werktag schön», rufen die struppigen Müllerblümchen.

«Wenn sie all die grossen, leuchtenden Blumen geholt haben, bleiben wir zurück, um den abgeernteten Garten zu schmücken. Wir sind dann die Schönsten. «Gälled», sagt das Veilchen. Viele Blümchen, wie das Schneeglöcklein am Hag, das Gänseblümchen auf der Matte, nicken dazu.

Ausser eins, das versteckt und traurig in der Ecke steht. Sich nicht getraut, seine Meinung zu sagen. «Mich sieht eh keiner. Von mir will niemand etwas wissen.», flüstert es mit tränenerstickender Stimme. Dabei hat es wunderschöne himmelblaue Blüten. Und in der Mitte ein goldgelber Tupf. Viele kleine, munzige Blüten an einem Stiel. Jedes einzelne guckt lieb in die Welt. Wie blaue Augen. Zauberschön ist sein Name: Vergissmeinnicht.

Durch das Gartentor kommt Tante TililiT. «TireM. Such dir die schönste Blume. Wir besuchen AnomenA, die alte Hexe im Dorf.» ruft ihre Tante. Uii, alle Blumen im Hexengarten recken und strecken sich. Die Tulpen öffnen ihre Kelche es bitzeli. Die Osterglocken fangen an, süferli zu läuten. Die Müllerblümchen büscheln ihre Strubelchöpfli. Die Schnecken strecken ihre Fühler und sind gespannt. Merit waggelt durchs Gärtli. «Guck, Tante TililiT. Ich nehme das hier.» Merit pflückt ein himmelblaues Vergissmeinnicht.
Und das Vergissmeinnicht? Wusste nicht, wies ihm geschah.

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Hexe Tililit

Hexe TililiT

Böse Hexen, fiese Stiefmütter, gefrässige Wölfe, der Gehörnte mit dem Pferdefuss. Es siegen nicht die bösen Hexen, nein, es sind die guten Märchenhelden.

Könige. Ritter. Fiese Stiefmütter. Pfauenauge. Elfen. Böse Hexen. Hohe kirchliche Würdenträger. Alte Weiber. Gamsblut. Arme Bauern. Gefrässige Wölfe. Keineswegs fehlen darf der Teufel mit seinem bösen, grässlichen Gefolge.
In vielen Märchen geht ohne Hexe & Teufel nichts.

Mystische und rätselhafte Märchen spielen in einer Umgebung von
kuriosen Felsmassiven. Verträumten Schlössern. Unheimlichen Burgen. In Nebel gehüllten Dörfern, Tälern und Bergen. Geheimnisvollen Höhlen. Düsteren Ruinen. Mystischen Wäldern. Ungezähmten Wasserfällen. Friedhöfen, die einem das Fürchten lehren. Wundersamen Kräutern. Magischen Tieren. Märchen erzählen über Hexen & Teufel. Kobolde & Zwergen. Feen & Elfen. Ritter und ihre Jungfrauen. Könige & ihre Untertanen.

Hexe TililiT, eine pummelige kleine Hexe mit orange leuchtenden, vom Kopf abstehenden Haaren, wohnt am Waldrand.
Dreihundertsiebenundfünfzig Tannen weiter nördlich von ihrem schiefen Holzhaus haust eine bösartige, alte, dürre Hexe mit gefühlt hundert Katzen. Die Katzenhexe. Eine alte grausame Hexe, die stets in einem langen geflickten Rock in ihrem Garten rumwuselt. Ihre verfilzten langen Haare sind zu einem Knoten am Hinterkopf zusammengebunden. Eine alte, böse Hexe, die hinter ihrem verfallenen Schuppen, im Garten, giftige Kräuter züchtet. Eine Hexe mit unheimlichen Ritualen und stets mit einer ihrer grässlichen Katze auf der Schulter.

Merit, die kleine Hexennichte von TililiT, liebt die Geschichten ihrer Tante. Die Hexe erzählt Merit böse, geheimnisvolle, schaurige und schöne Geschichten zum Gruseln und Träumen. Und Merit? Die kleine Nichte von der Hexe schreibt die Märchen auf, für euch.

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Frieda

Läck MaBelle. Letzthin habe ich einen Text gefunden. Er entstand vor einigen Jahren. Ich habe ihn überarbeitet. Magst lesen meine Liebe?

«Wie geht es Frieda, so allein in dem Bauernhaus? Ohne ihren Hans? Ist sicher schwer. Deine Eltern waren fast ein ganzes Leben lang unzertrennlich, gäll?» Ich gucke Martin an. Wir kennen uns über 30 Jahren. Wir haben uns aus den Augen verloren und FB sei Dank wieder gefunden. Seine Eltern habe ich zwei, drei Mal gesehen, dass ist Jahrzehnte her. Zurzeit haust Frieda im Altersheim und erholt sich. «Was glaubst du, hätte sie Freude, über unseren Besuch? Wollen wir sie besuchen gehen?»

Kaum aus dem Auto fängt es wieder an zu Schneien. Und wie. Ich guck um mich. Hei, das ist ein schöner Ort. Und der Name: Rosengarten passt wunderbar zu diesem rosa Haus. Wer ins Haus kommt, dem fällt als erstes der Spruch «Wenn im Haus die Liebe wohnt, nennt man die Bewohner Engel und das Haus ein Paradies» auf. Mir gefällt was ich da lese. Später wird mir klar, er passt hier hin.

Wir suchen Frieda, die Mutter von Martin und werden fündig im Gemeinschaftsraum. Es überrascht mich. Hier sieht es aus, wie in einem Wohnzimmer. Tisch & Stühle. Sofa, bequemer Sessel. Blumen & Pflanzen. Zeitschriften gibt’s und von der Wand kommt ein Tick, Tack, Tick, Tack. Heimelig, und wie. Gucks du aus dem Fenster siehst du verschneite Wiese. Mir gefällts. So lässt es sich im Alter gut leben.

Frieda sieht Martin. Ihr Kind Nummer fünf. Sie hat sieben. Vier Jungs und drei Mädels. Frieda strahlt und begrüsst uns beide herzlich. Mein Gott ist diese Frau sympathisch. Das wusste ich nicht mehr. Ihre Fröhlichkeit steckt an. Die nächsten zwei Stunden werden unvergesslich für mich.

Ende Monat kann Frieda 84 Kerzli auf ihrem Geburtstagskuchen auspusten. «Finden soviele Platz auf einem Kuchen?» Überlege ich mir. «Du bist erst alt, wenn die Kerzen mehr kosten als der Geburtstagskuchen» Geht mir durch den Kopf.

Ihr Hans starb letztes Jahr. Am 28. August. 2017. 10 Tage nach seinem 90 Geburtstag ist er eingeschlafen, stillgeworden.
Eine Katastrophe für Frieda. Für Martins Vater ein schöner Tod.
58 Jahre sind sie verheiratet gewesen. Sind zusammen in Wigetshof, einem kleinen Weiler bei Oberhelfenschwil aufgewachsen. Bauernkinder waren sie. Beide. Und Nachbarskinder. Haben zusammen auf der Weide Kühe gehütet.

«Eine schöne Jugend hatte ich.» höre ich Frieda sagen und ihre Augen strahlen dabei.

Nur ein Velo hatte ich nie. Meine Brüder bekamen ein Fahrrad wir Mädchen nicht. Wir mussten laufen.
«Hättest du gern eins gehabt, Frieda?» «Ja und wie. Später bin ich bei Hans auf dem Gepäckträger mitgefahren. Das hat mir gefallen. Das war schön.» Verschmitzt lächelt Frieda.

«Mit 25 Jahren bin ich von daheim weggelaufen und habe meinen Hans geheiratet.»
Das möchte ich genauer wissen. Das interessiert mich. «Was ist passiert?»

Es war genug. Zuviel. Ich musste nach der Schule Geldverdienen. Durfte keinen Beruf lehren. Ich ging in die Kägi arbeiten. Der Weg von drei Kilometer ging ich zu Fuss. Hatte ja kein Velo.
Mein Lohn musste ich abgeben. War Zahltag wartete meine Mutter an der Haustüre und nahm das Geldsäckli direkt entgegen. Ich hatte nichts. Mit 18 durfte ich meinen Lohn behalten.

Unvorstellbar. Für mich. Und sicher auch für Martin, der still neben mir sitzt und gespannt zuhört. Obwohl ich mir vorstellen kann, er hört die Geschichte kaum zum ersten Mal.

Frieda erzählt weiter. Ich schau in ihre Augen. Und bin überrascht. Da sitzt keine traurige ältere Frau, im Gegenteil. Ich sehe eine zufriedene, glückliche Frieda.
Sie sei knapp 19 gewesen, als ihre Mutter krank wurde. Von da an durfte sie nicht mehr in die Kägi. Sie musste daheim den Haushalt machen. Frieda war die Magd im eigenen Elternhaus. Lohn bekam sie keinen von ihren Eltern. Das berührt mich zutiefst. Es macht mich traurig.

«Der Glaube ist wichtig.» Sagt Frieda zu uns beiden. «Ich war protestantisch und Hans katholisch. Das gab Probleme.»

Logisch gabs die. Zu dieser Zeit. Denke ich und frag sie «Wie habt ihr das gelöst?»

«Ich habe konvertiert. Noch vor der Hochzeit.»

«Du hast gewechselt?» ich bin erstaunt. Ihr: Ja klar. Kam, als sei es normal den Glauben zu wechseln. In dieser Zeit. In den 50er.

«Weisst du, es fehlte an einer Gemeinschaft der ref. Kirche. Der Pfarrer hat mir angeboten, mich als seine Haushälterin aufzunehmen. Das wollte ich nicht.»

Ich bin schockiert. Sie war keine 20 und er machte ihr ein unsittliches Angebot.

«Du und Hans, wo habt ihr geheiratet?»

«In Einsiedeln. In der Klosterkirche. Zu viert. Das schönste war, genau als wir uns das Versprechen gaben, fiel ein Sonnenschein durch das farbige Fenster, direkt auf den Altar vor uns.»

Sie konnten einen eigenen Hof erwerben. In Wigetshof. Mit zehn Kühen im Stall. Das Heu wurde mit dem Stier transportiert. Einen Ladewagen hatten sie nicht, dazu fehlte das Geld. Der kam viel später dazu. Die Wäsche wurde im freien, in Zuber gewaschen, ausser im Winter, da war es viel zu kalt. Mit dem Winter kam die Kälte. Die Wasserleitungen froren ein und mussten zuerst aufgetaut werden.

«Ich ging in den Kirchenchor. 30 Jahre lang. Und mein Hans in die Musik. Weisst du er liebte sein Horn. Und Jassen. Mittwoch ins Restaurant Högg und Samstag trafen sie sich bei einem Jassfreund daheim. Bis zum Schluss.» Frieda lächelt und erzählt mir «Der Hans jasste im Spital noch. Mit den Krankenschwestern.»

«Hans hat vor seinem Tod alles aufgeschrieben. Er machte sich Gedanke, wer sein Kreuz zum Grab tragen soll.»
«Und wer bekam die Ehre?» Will ich wissen.
«Markus, eins seiner Enkelkinder.»
Ihre Kinder: Hans, Arnold, Bruno, Verena, Martin, Susanna und Regula schenkten ihr und Hans 23 Enkelkinder. Und fünffache Urgrossmutter ist Frieda. Das jüngste, vier Wochen alt, kam am Valentinstag zur Welt, das hat sie noch nie gesehen. Sie freue sich, auf ihr Heim. Sie sei schon länger hier.

Zwei Wochen bevor ihr lieber Hans für immer stillgeworden ist, verlor sie ihren Bruder Walter.
Sie dachte immer. Ist Hans nicht mehr bei mir. Da habe ich Walter. Nun ist ihr Bruder Walter vorrausgegangen.
«Und deine anderen Geschwister?»

«Emmi ist die älteste, sie ist etwas dement, sonst geht es ihr gut. Hans, mein Bruder, ist vor zehn Jahren gestorben. Er ging an einen Match von SCB und bekam während dem Spiel einen Schwächeanfall. Ist später im Spital verstorben. Das stand in den Zeitungen, hast du das gelesen?»
Ja genau. Ich erinnere mich. Wusste natürlich nicht, dass es der Onkel von Martin war. « Albert, mein jüngerer Bruder ist Tod. Gottlieb ist schon lange gestorben. Köbi, der jüngste von uns allen, ihm geht es gut.

Einen Monat nach dem Hans gestorben ist, wurde alles Zuviel. Sie hatte einen Zusammenbruch. War drei Wochen im Spital und kam direkt hier hin. Um sich zu erholen. Nun möchte sie nach Hause. In ihr Bauernhaus, wo sie wieder «Böscheli» für den nächsten Winter machen kann. «Weisst du, anfeuern muss ich selber. Es gibt nur eine Holzheizung.»

«Hast du keine Angst, allein in dem grossen Haus?» Will ich wissen.

«Nein. Es ist mein Zuhause. Ich hatte eine schöne Zeit mit meinem Hans. Ich habe auch keine Angst vor dem Sterben. Vor dem Tod. Hans hat sich lange gegen den Tod gewehrt. Ich mache das nicht.»

«Ich freue mich in ein, zwei Wochen gehe ich Heim, es ist Frühling, und es fängt an zu blühen im Garten.»

MaBell, meine Schöne, ich habe Martin eine Nachricht geschrieben. «Hey mein Lieber, ich brauche aktuelle Infos über Frieda und deine Famile. 1. Wie geht es ihr, wo lebt sie heute? 2. Weitere Urenkel dazu gekommen? 3. Gabs ne Beerdigung? Bis bald, Christine»

Tja, auf Martin ist Verlass. Er antwortet prompt: «Hoi liebe Christine, knudel. 😊 Muetter wohnt bei Hans oben. Noch. Wir suchen einen schönen Platz im Altersheim. Rosengarten oder Dorfzenter. Eins von beiden. Vergesslich und dement ist sie geworden. Sonst noch gut beieinander. Jeden Sonntag zu Besuch bei eins ihrer Kinder. 5 Urenkel dazu gekommen. Über Schwester Emmi weiss ich nix. Bruder Köbi ist zu Hause, muss einmal in der Woche ins Spital. Also dann hoffe ich bis bald.»

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Le Mont-Saint-Michel

«Mein Kerl, die faule Nuss, wird Hokuspokus Fidibus, ganz niedlich und ganz klitzeklein, in einen Frosch verwandelt sein.» Zaubersprüche erfinden kann ich. Mich freuts. Meinen Kerl weniger.

Ma Belle, meine Liebe. Der Mont Saint-Michel pappt seit Ewigkeiten an meinem Kühlschrank. Genaugenommen seit 38 Jahren, du warst mit 16 in der Normandie, und ich bekam eine Postkarte. Ich verliebte mich in das wunderschöne Bild dieser felsigen Insel. Seit dem Augenblick wünschte ich mir, den Mont Saint-Michel mit meinen Augen zu sehen. Nun ist fertig gepappt. Die Mont-Saint-Michel-Karte liegt im Altpapier.

Ich steh in der Mitte der Strasse, geniesse den Augenblick und vergesse alles um mich herum. Die vorbeiwuselnden Menschen, das Gekreische der herumfliegenden Möwen. Selbstverständlich auch meinen Kerl. Ma Belle, meine Schöne, meine Gefühle fahren Achterbahn.

Der Mont Saint-Michel. Der Klosterberg. Wie eine Ritterburg steht er da auf der felsigen Insel. Pyramidenförmig ragt die Abtei in den Himmel. Boah, welch traumhafter Moment. Für mich. Zauberschön ist der Mont Saint-Michel. Tränen der Freude kullern über meine Wangen.

Unsere Sommerferien in Frankreich sind ein Traum. Wunderschön, verträumt, idyllisch, das Val de Loire. Windig. Rau. Traumhaft. Die Atlantikküste in drei Worten.

2021. Bei ungeraden Jahren sucht mein Kerl die Campingplätze aus. Meine Liebe, du kennst mich und weisst, dass ich nie einen Patz google, den mein Kerl aussucht. Ich lass mich überraschen. Vielleicht müsste ich das in Zukunft ändern. Mein Kerl hat *****Campingplätze ausgesucht. Stell dir vor. Einen Fünf-Sterne-Campingplatz. Lauter kultivierte Menschen. Keine grölenden Säufer, keine Kiffer, keine lärmenden Gofen. Nix. Gehst du nach 20 Uhr biseln, triffst du niemanden mehr. Da herrscht Ruhe und Ordnung.

Am vierten Tag scheint es birebitzeli die Sonne. Endlich. Meine Liebe, ich habe mir extra für die Sommerferien einen brandneuen Bikini gekauft. Einen von der Sorte, die ich daheim selbstverständlich nie tragen werde. Hier ist es kein Problem. Kennt mich ja keiner. Liegestuhl auf und nach langem Hin und Her einen idealen Platz gefunden. Während ich, mit Strohhut und grosser Sonnenbrille, auf die Sonne warte, gucke ich unseren Nachbarinnen beim Zeltaufstellen zu.

Mein Gott, das glaubst du nicht. Zu dritt, alles junge Frauen, wollen sie ein hellgrünes Zelt aufstellen. Die Diskussion, wo das Zelt stehen soll, dauert länger als das Aufstellen. Wie so oft, kommt das Beste zum Schluss. Da sie keine Heringe haben, um ihr hellgrünes, tunnelförmiges Zelt am Boden zu befestigen, wirds kurzerhand an den Felgen fixiert. Mit einer Schnur, die nicht einmal angespannt ist.

Mein Kerl setzt sich neben mich. In der Hand eine Bierflasche. Ich: «Willst du ein Held sein? Für drei Frauen, die so alt sind wie deine drei Mädels? Du musst nur den Fehler finden.» Und zeige auf das Auto. «So doof sind unsere Mädels nicht. Logisch, sind meine Kinder», bekomm ich von ihm zu hören. Mein Kerl will aufstehen. «Bleib sitzen, wir gucken zu, bis sie fertig sind», sage ich flüsternd, keiner ausser meinem Kerl soll mich hören. «Ist nicht dein Ernst, du willst sie fertig aufstellen lassen? Wie bist denn du drauf?», bekomme ich von meinem Kerl zu hören. «Wie bist denn du drauf?», wiederhole ich leise und verdrehe meine Augen. Zu ihm sage ich: «Gut möglich, dass ich verblöde vor Langweile».

Zwei Stunden später, mein Kerl ist zum Helden unserer Nachbarinnen geworden, gammle ich auf meinem Liegestuhl rum und erfinde Hexensprüche.

Ene, mene vor dem Zelt, da steht ne grüne Hecke, leben sollst du da – als Schni-Schna-Schnecke.

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Diese Online-Schulung haut mich vom Stuhl

Die eine kommt regelmässig zu spät, die andere empfängt den Pöstler während ihrer Online-Präsentation oder nimmt Anrufe entgegen, vereinbart Waschmaschinen-Flick-Termine. So geht Online-Schulung.

Uff, meine Liebe. Online-Schulung ist schampar anstrengend und doof. Meine Meinung. Du erlebst Dinge, da stehen dir die Haare zu Berge. Ma Belle, du weisst ja, 2021 ist ein Weiterbildungsjahr für mich.

Start der Zoom-Schulung 8.30 Uhr. Dem Audio beitreten ab 8.00 Uhr. Logisch, ich bin die erste im virtuellen Klassenzimmer. Diese Zeit des Wartens musst du dir unbedingt schenken bei deiner nächsten Online-Weiterbildung.

«Prinzässin» ist zu lesen. Bildlich stelle ich mir eine junge, hübsche Frau mit grünen Augen, roten Locken vor. Jetzt bin ich gespannt, was für ein Gesicht zu «Prinzässin» gehört. Oh mein Gott. Cruella wäre treffender. Läck, ma Belle, das ist nur peinlich.

Eine andere, ihr Mikro ist an, kommt dazu. Ihr Partner steht hinter ihr, beugt sich herunter und fingerlet auf der Tastatur herum. «Du kannst mich lassen», höre ich sie. Er: «Bist du sicher?» Sie: «Ja.» Er: «Wirklich?» Sie wiederholt genervt «Jaaa!» Er: «Ich nicht.» Das müsste mein Kerl sich erlauben, der bekäme was zu hören von mir.

Und die ewig zu spät Kommenden. Die hast du auch bei einer Zoom-Schulung. Sowas von anstrengend sag ich dir, meine Liebe. Am zweiten Tag kommt dieselbe Kursteilnehmerin wie am Vortag über 10 Minuten zu spät hinzu. Die Frage, «ÖV-Verspätung?», von mir kommt bei ihr nicht gut an. Die anderen verkneifen sich ein Grinsen, was nicht allen gelingt.

Unsere Dozentin, Frau Gubler, – was die sich erlaubt, das glaubst du mir nicht. Während der Präsentation klingelt ihr Handy. Selbstverständlich nimmt sie den Anruf entgegen. Gut zu wissen, dass ihre Waschmaschine kaputt ist und am nächsten Morgen repariert wird. Die Präsentation geht weiter. Nicht lange, und es schellt an ihrer Haustüre. «Ah cool, ich muss hurtig an die Tür. Mein Päckli vom DHL-Mann entgegennehmen.» Und weg war sie.

Am anderen Morgen telefoniere ich mit Frau Bünzli. Ja, die heisst wirklich so. Frau Bünzli leitet die Geschäftsstelle der Schule, bei der ich mich für meine Kurse und Module eingeschrieben habe. Ich teile ihr mit, alle Weiterbildungen unter der Leitung von Frau Gubler zu annullieren. Der Kommentar von Frau Bünzli? «Die gleichen Kurse finden noch in Bern statt. Lohnt sich der Weg?» Welcher Weg? Ist alles online. Oje, Frau Bünzli und Frau Gubler passen perfekt zueinander.

Ma Belle, ist es nicht eine Frechheit, dass ein Onlinekurs gleich viel kostet wie der Präsenzunterricht? Vor allem ist die Kursleitung beim Onlinekurs stümperhaft. Ich befürchte, das habe ich Frau Bünzli so geschrieben. Du weisst ja, ich mache stets ein Bestätigungsmail, so habe ich was in den Händen, wirds kompliziert.

Neuer Tag. Neuer Dozent. Heute wirds vielversprechend. Dozent ist ein älterer Herr von der Fachstelle für Psychische Gesundheit. Meine Liebe, ich habe einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Denke ich.

Ich, chillig mit Headset auf dem Bürodrehstuhl, folge gelangweilt der Unterhaltung und lehne mich nach hinten. Plötzlich machts zack, und ich häng zwischen Pult und Boden. Samt Bürostuhl hats mich umgehauen.

Linker Ellbogen auf die Tischplatte, rechter Ellbogen auf die Tischplatte. Ich zieh mich hoch und schau in unendlich viele Augen. Entsetzte Augenpaare. Boah, meine Schöne, sind die diszipliniert. Kein Grinsen oder Lachen.  «Sollen wir eine Pause einlegen? Damit du dich erholen kannst», fragt Herr Scherer von der Psychologischen Fachstelle. Oh Gott, wie peinlich ist das denn?

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Mein Kerl schenkt mir eine Roboterstaubsaugerin

Ach, mein Kerl. Er versteht nicht, wieso mich ein rosarotes Puzzle fasziniert. Und ich wundere mich, dass er mir eine Roboterstaubsaugerin schenkt.

Hast du ein Buch gelesen, landet es in einem deiner zahlreichen Bücherregale. Sich von einem Buch trennen? Unvorstellbar für dich.  Ma Belle, mir gehts wie dir. Bei mir sinds nicht Bücher, die das Regal aus allen Nähten platzen lassen. Es sind Puzzles. Mein Bücherregal überquillt vor lauter Puzzles – von kleinen 1000er- bis hin zu grossen 5000er-Puzzles.

Eine Vielfalt an Puzzles stapeln sich im Keller und warten. Warten – worauf? Keine Ahnung. Ich setze jedes Puzzle einmal zusammen – that’s it. Mich von ihnen trennen? Nahezu unmöglich. Meine Liebe, kürzlich habe ich einen Teil meiner Puzzlesammlung im fb zum Verkauf angeboten. Willst du wissen, warum ich sie verkaufe und nicht verschenke? Tief im Inneren hoffe ich, dass sich niemand für Puzzles aus zweiter Hand interessiert.

Heute treffe ich eine fb-Bekanntschaft. 11 gegen 11. Tauschen statt verkaufen. Mich freuts, meinen Kerl eher weniger. 

Wer nicht puzzelt, kann sich schlecht vorstellen, was puzzeln bewirken kann. Da kannst du so richtig vom Alltag abschalten. Runterkommen. Es entspannt mich und wirkt wie eine kleine Yoga-Session. Einmal angefangen, bin ich richtig angefixt und kann nicht mehr aufhören, passende Teile zu finden. Suchtfaktor garantiert.

Ich, Puzzelkönigin, sortiere nach Farben vor und lege sie in Suppenteller. Rot. Grün. Gelb. Blau. Pink. Weiss. Lila. In allen Farben liegen die bunten Teile vor mir. Ich kann mich schwer entscheiden, mit welcher Blume ich anfangen soll. Weisst du, es stechen mir so viele Puzzleteile ins Auge.

Brettspiele. Kartenspiele. Geduldspiele. 500er- bis 5000er-Puzzle. Im Herbst vergangenen Jahres, steh ich im Laden und hab keinen Plan, was ich will. Weisst du, da bekommst du alles. «Wer um Himmels willen kauft ein 657er-Puzzle in Pink. Sicher kein normaler Mensch.» Mein Kerl steht vor einem Gestell mit Puzzles und guckt mich an. Zuerst fragend, Sekunden später entsetzt. 

Voller Elan nehme ich die pinkfarbenen Teile aus der Verpackung. Farben aussortieren brauch ich nicht, sind ja alle pink. Boah, meine Schöne, den Rand schaffe ich nicht unter zwei Stunden. Fakt ist: Drei Viertel vom Puzzle sind fertig, und mir gefällt die Farbe Pink nicht mehr. Nun dümpelt das pinkfarbene 657-teilige Puzzle unter dem Bett vor sich hin. Ab und an wirds abgestaubt von der Dolcinella.

Dolcinella ist die Idee meines Kerls. Kürzlich bat ich ihn, er solle für mich Staubsaugen, da ich zur Arbeit muss. Und was macht er? Er geht und kauft sich einen Staubsaugerroboter. Später komme ich von der Arbeit heim und er so: «Wenn du mir dein Handy gibst, lade ich dir das App für den Roboterstaubsauger runter. Da kannst du morgens im Bett liegen und ihr befehlen, wo sie hinmuss.» «Wieso ihr und nicht ihm?», ich guck zu, wie er den Staubsaugerroboter startet. Aha. Jetzt ists klar. Die Stimme ist hell, freundlich fast schon attraktiv. Eine Frauenstimme.

Ma Belle, mein Kerl hat echt Nerven. Der Staubsaugerroboter bekommt eine Frauenstimme. Mann lässt Frau putzen. Sein Navi im Auto hat eine raue Männerstimme. Er lässt sich nicht von einer Frau sagen, wie er fahren muss. Ich fass es nicht.

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Den Moment geniessen

«Mami, Gummelenstock macht mich traurig.» Unsere Tochter Nr. 3 stochert im Essen herum und guckt betrübt. Warum denn? «Das wären feine Pommes.» Nun gucken mich drei Augenpaare böse an.

Oje, Ma Belle. Ich blättere nicht im Tagebuch. Nein, ich gucke einzelne, alte Bilder von unseren Goofen an. Gibst du mir recht, sage ich, schwierig an der Erziehung deiner Goofen ist, sich selbst an all die Regeln zu halten?

Als Erstes kommt mir ein Bild von unserer Zweitältesten in die Hände. Boah, bin ich da genervt. Ich will mit den Kindern Madlen besuchen. Mein «Zieht euch hurtig an, wir fahren in 15 Minuten los!» kam bei allen an. Ausser bei unserem Träumerli. Mit pinkfarbenen, getupften Unterhosen steht sie vor ihrem Zimmerfenster. Wie ein Flamingo. Sie versucht, sich eine grüne Socke anzuziehen, singt Räge, Räge Tröpfli. Dabei strahlt sie wie ein Anketrinli. Die Regentropfen klatschen ihr ins Gesicht. Selbstverständlich steht das Fenster sperrangelweit offen, und der Zimmerboden ist geflutet.  

Meine Liebe, erinnerst du dich an den schönen Spätsommertag? Als du unseren Goofen dein altes Mikroskop vorbeibrachtest? Blätter. Nasse Erde. Der volle Staubsaugersack. Alles wird genau untersucht. Der Jüngste muss herhalten, ihm putzen die Mädels die Fingernägel – in der Hoffnung, was Lebendiges unter dem Mikro zusehen. Plötzlich steht unsere Tochter Nr. 3 vor ihrem Papi. Ich guck sie an, und mir wird sofort klar, sie hat wieder eine ihrer genialen Ideen.

Die Taucherbrille sei wichtig, erklärt sie uns, es dürfe nix in die Augen spritzen. Regenmantel – als Schutz für die Kleider. Wollkappe, um die Haare zu bedecken. Latexhandschuhe, so gross, die reichen ihr bis zu den Ellbogen. Und? In der rechten Hand eine Nähnadel. «Paps, ich brauch Blut.»

Der Jüngste darf zuerst. Er guckt durchs Mikroskop. Würmli, Würmli, ich sehe Würmli. Papi hat Würmli im Blut, schreit er. «Han ich au Würmli im Bluet?», fragt er mich entsetzt. Nun gucken die Mädels ins Mikro. Die grossen beide sehen keine Würmli, die Jüngere entdeckt schwarze Würmli. Ma Belle, weisst du noch, wie lange es gedauert hat, bis die Goofen merkten, dass die schwarzen Würmli ihre Wimpern waren?

Soeben eins meiner Lieblingsbilder entdeckt. Jedes der Kinder hält sein eigenes Steckenpferd in den Armen. Keins gleich wie das andere. Ich lismete und bastelte vier verschiedene. Es gibt keinen Streit beim Aussuchen. Jedes bekommt sein Wunschpferd. Unsere Älteste hat das braune. Das Träumerchen das weisse. Tochter Nr. 3 ein schwarzes. Und unser Jüngster ein graues. Alle tragen einen Cowboy-Hut und strahlen mit der Sonne um die Wette. Ausser? Der Büebel. Der guckt grimmig, und wie. Die Mädels haben ihm erklärt, dass sie schöne, stolze Rösser haben. Sein graues hingegen halt ein Esel sei. Boah, was sind die Mädels gemein.

Als Nächstes kommt ein Bild aus dem Klosterdorf zum Vorschein. Familienbild, logisch ohne mich. Ich knipse ja das Bild. Läck mir, meine Schöne, war das ein peinlicher Kirchengang. Familiengottesdienst für die Kommunikanten. Der Weisse Sonntag unseres Jüngsten steht vor der Tür.

Vor der grossen, schweren Klostertür bleibt unser Büebel stehen. «Halt. Du darfst da nicht hinein. Du musst draussen auf uns warten.» sagt er zu seiner grösseren Schwester. Die guckt ihn baff an. «Warum muss sie draussen warten?», frage ich meinen Jüngsten. «Ich will nicht, dass sie verbrennt. Sie glaubt an den Gehörnten mit dem Pferdefuss. Sie fängt an zu brennen, sobald sie einen Fuss über eine Klosterschwelle setzt. Wie im Gschichtli, das du mir erzählt hast, Mami.» Ängstlich guckt mich der Kleine an. «Selber schuld. Du mit deinen gruseligen Hexengeschichten. Guck selber, wie du da wieder rauskommst», flüstert mein Kerl mir ins Ohr. Boah, hat der Nerven. Steht grinsend neben mir. Findet alles wahnsinnig witzig. Ich brauche eine Viertelstunde, um ihn zu überzeugen, dass seine grosse Schwester nicht gleich in Flammen aufgeht, sobald sie die Kirche betritt.

Am Ende des Tages bekommt meine Jüngste ein gruseliges Gschichtli mit bösen Hexen und gefrässige Wölfen erzählt. Eins, wo die guten Märchenhelden gewinnen.

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Stopp dem Freitod auf dem Kopf

Grau ist eine Farbe. Eine Haarfarbe und kein Altersmerkmal. Ich bin mich selbst. Ma Belle. Meine Liebe, ich bin mutig und spiele mit dem Gedanken, meine Haare nicht mehr zu färben. Ich höre auf und werde eine Silver-Sister. Bei meinem Glück, wohl eher eine Grey-Sister.

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