Tratschen

Wir bleiben ewigs die Töchter unserer Mütter

«Versteh es nicht falsch. Mami, ich bin kein Kind mehr. Und du bist eben schon alt.» Tja. Ob sie wollen oder nicht. Sie werden immer die Tochter ihrer Mutter bleiben.

Unsere Mutter ist die Frau, die wir am meisten lieben. Von Anfang an. Sie ist auch die Frau, die uns am meisten nervt. Und das ist so, unser Leben lang. Findest du nicht, meine Schöne?

Du musst wissen, MaBelle: Ich war ein schrecklicher Teenie. Ich machte es meinen Eltern und meinem Bruder alles andere als leicht.
Selbstbewusst war ich immer. Früh habe ich gelernt, die Konsequenzen abzuschätzen, damit umzugehen. Gewusst, was ich will. Meinen Kopf setzte ich durch, ohne gross zu murren. Die Konsequenzen trug ich.

Meine Haarfarben, die ich ständig hatte, waren furchtbar, die geilste war neongrün. Meine Mutter war sowas von schockiert, das glaubst du nicht. Weisst du, meine Liebe, die Haare leuchteten im Dunkeln. Und mein Hang zu merkwürdigen Typen … Ich verstand damals nicht, warum das meine Eltern störte. Spiessig, provinziell, intolerant, diktatorisch fand ich meine Eltern, und das bekamen sie von mir auch zuhören. Logisch liebte ich sie. Ich denke, das geht allen Teenies so.

Mit dem Auszug, direkt nach der Stifti, entspannte sich unser Verhältnis. Damals wurde mir klar, dass meine Mutter es nur gut mit mir meinte. Aber gäll, ihr «Gutgemeintes» war nicht mein «Gutgemeintes». Wir stritten weniger. Irgendwie logisch. Ich war ja nicht mehr viel bei meinen Eltern. Bis zum Schluss ging ich, besonders meiner Mutter, viel auf die Nerven. Das ist sicher nicht, weil wir uns ähnlich waren, eher, weil sie meine Mutter war. Da bin ich sicher.

Sie brachte mich auf die Palme, mit ihrem: « Du bist viel zu viel gestresst. Lauf deinen Goofen nicht ständig hinterher um aufzuräumen.» Schon lange habe ich aufgehört, dagegenzureden. Stattdessen denke ich: «Wenn du wüsstest. Wenn du jetzt meine Wohnung sähest. Dich träfe der Schlag.» Ich verdrehte meine Augen, fragte sie mich zum tausendsten Mal, ob die Kinder im Haushalt mithelfen. Mir täte es gut, nicht so viel zu schaffen. «Und dein Mann könnte mehr helfen.» Es stimmt für mich, so wie es ist, das verstand sie nicht. MaBelle, es sind Banalitäten, die mich nerven. Das muss nicht sein, oder? Weisst du, liebe Christine, ich bin kleinlich, ich schaffte es nicht, grosszügiger mit ihr zu sein. Nein, ich redete oft in meinem Teenie-Ton mit ihr. Ich konnte nicht anders. Kaum zu Hause, tat es mir leid, dass ich streng mit meiner Mutter war. Ich telefonierte ihr, sagte, dass es schön war bei ihr und ich nächste Woche wiederkomme würde. Und was antwortet sie? Dasselbe wie immer. Sie habe mich lieb und freue sich auf jeden Besuch von mir. Tja, mein schlechtes Gewissen wird nicht kleiner.

Ich komme aus meiner Tochterrolle nicht raus. Egal, wie alt ich bin.

Ich weiss, Mütter sind auch nur Menschen. Ich denke oft an meine, bin ich ungeduldig und brülle meine Töchter an, wenn sie nicht kommen, um den Tisch zu decken. Ich räume das Puff im Hauseingang selber weg, weil ich keine Lust habe, es ihnen zum zehnten Mal zu sagen. Das alles hat meine Mutter ja mit mir durchgemacht.

Soll ich dir verraten, wann ich an meine Mutter denke? Vergreift sich eins meiner Kinder im Ton, benimmt sich daneben und kommt schuldbewusst, zerknittert zu mir mit einem «entschuldige Mami» denke ich: «So fühlte sich meine Mutter, wenn ich sie nach einem Besuch angerufen hatte.»

Ich weiss, zum Glück, dass eine Mutter ihre Kinder nicht weniger liebhat, wenn sie ausrasten oder genervt sind. Schampar beruhigend, finde ich.

Meine Liebe, ich hab gelesen, das schönste Kompliment, das du deiner Mutter machen kannst, sei: «Du bist die beste Mutter, die du sein konntest.» Das denke ich auch. Zum Glück konnte ich es ihr noch sagen.

 

 

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