Tagebuch

Getarnte Jäger guckten zu.

Ich habs doch auch nicht immer leicht – mit mir.

 

Cool. Er ist da. Offiziell. Es ist Herbst. Oh Gott, wie ich diese Zeit liebe. MaBelle, du kennst mich gut genug, um zu wissen: September ist der schönste Monat im Jahr. Grauer Himmel. Kühle Luft. Dunklere Tage. Die Blätter färben sich. Die Sonne brennt nicht mehr so heiss vom Himmel, und doch ist es warm, wenn sie scheint. Die fetten, dicken, gemütlichen Dahlien blühen in den Gärten. Sonnenblumen. Meine Lieblinge unter den Blumen. Im September ist (fast) alles drin, was wichtig ist. Für mich.

Geburtstage. Hochzeit. Grün & Gelb, meine Lieblingsfarben. Herbstblumen. Trauer & Todestag. Nebel. Ferien. Wind & Sturm, Regen. Erntedankfest. Einmachen. Kürbis. Kerzen. Wandern. Zimt. Lebkuchen. Winzerfest. Hortensien, Sonnenblumen, bunte Blätter trocknen und Pressen.

Letzten Herbst wanderten wir vom Kreuzboden nach Saas Almagell. Traumhafter Tag, sag ich dir. Naja. Bis ich biseln muss. Meine Liebe, es ist ein verdammter Akt, einen Ort zu finden, an dem dich keiner beobachtet. Wild pinkeln als Frau? Anstrengend. Und hast du solch einen Kerl an der Seite wie ich wirds lustig. Für alle andern, nur nicht für dich. Ich habe die perfekte Stelle gefunden. Von oben nicht einsehbar. Von unten nichts zu befürchten, da guckt ja mein Liebster. Links Felsen und Gestrüpp, und rechts gehts das Loch hinunter.

Oh Gott, der Schock kommt, währenddem ich brünzle. Ich hab das Vis-à-vis vergessen. Echt das glaubst du mir nicht. Da liegen zwei Jäger auf der Lauer, und der eine guckt direkt zu mir. Das ist mir jetzt schampar peinlich. Und was meint mein Kerl dazu? «Du willst mir jetzt nicht sagen, dass du die nicht gesehen hast? So blind kannst ja nicht sein.» Ich bin sauer. Mega sauer. Auf ihn. Echt, der spinnt doch, denkt er, ich hätte diese schwarzbemalten Kerle gesehen. Der Hammer kommt zum Schluss. Ich muss bei den grinsenden jungen Trübeln vorbeilaufen.

Herbst ist die Zeit des Sammelns. Moos. Flechten. Wurzeln. Steine. Tannenzapfen. Eicheln. Buchnüsse. Pilze. Ich bin am See unten. Brauche Steine. Platte Steine und Misteln. Nun, das mit den Misteln pflücken in den Bäumen ist nicht so einfach. MaBelle, du weisst selber, mit dem Alter kommt das ungelenkig sein. Egal. Ich steige von Ast zu Ast den Baum höher, bis ich bei den Misteln bin. Schneide diese – und zack – hänge ich in den Ästen. Ich bin zu schwer für diesen dürren Baum.

Zum Glück ist nichts passiert. Sonst müsste mein Kerl eine Frau mit Gips unterm Mistelzweig küssen.

 

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