In Zukunft schicke ich meine Geburtstagswünsche für Madlen in den Himmel.
28. Januar 2017. Madlen hat Geburtstag. 75 ist sie. Wir sitzen alle um den Tisch. Liebe Ma Belle, es ist Samstag, und alle sind da. Madlen, das Geburtstagskind. Mein Vater. Mein Bruder. Meine Schwägerin. Mein Gottibueb mit seiner Freundin und seine Schwester. Mein Kerl, ihr Schwiegersohn. Unsere Kinder Nr. 1 bis 4. Schön hat Madlen den Tisch geschmückt. Wie gewohnt. Kerzen, vereinzelte Blumen gestreut und passende Servietten. Alles in rosa. Ihre Lieblingsfarbe. Und wie das fein duftet. Erinnerst du dich? Madlen backt Jahr für Jahr Fasnachtschüechli. Selbst gemacht. Versteht sich. Mega fein und unvorstellbar mastig.
Alle reden miteinander. Es ist laut. Ich höre nur halb zu. Gucke unsere Mutter genauer an. Und denke: «Christine. Geniesse die Fasnachtschüechli. Das sind deine letzten. Madlen wird nächstes Jahr keine mehr backen.» Mir fällt es schwer, meine Traurigkeit zu überspielen. Die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Meine Liebe, abgenommen hat Madlen. Und, um Himmels Willen, fällt mir das erst heute auf? Krass. Locker 15–20 Kilo. Meine Liebe, mir ist das nie aufgefallen. Gut. Ich habe meine Eltern in den vergangenen Monaten nicht so viel zu Gesicht bekommen. Ich habe mich um meine Probleme gekümmert. Um meine Arbeit. Um meine Familie. Ich schäme mich. Ich nehme mir vor, ich kümmere mich mehr um Madlen und weiss genau: Ich lass es bei den regelmässigen Telefonen.
Ich erinnere mich an unsere Geburtstage. Du weisst ja, wir, mein Bruder und ich, kamen beide im Dezember zur Welt. Er, ein Jahr und eine Woche älter als ich. Beide im gleichen Monat Geburtstag und erst noch im Dezember. Saublöd fand ich das als Kind. Uncool. Wir feierten die Geburtstage zusammen. Oft an seinem. Da hatten wir schulfrei. Maria Himmelfahrt. Bei uns ein Feiertag.
Ich liebe Bücher. Seit ich lesen kann. Geburtstage, Weihnachten. Ich halte mein Päckli in den Händen und wusste, da ist ein Buch drin. Eine Woche vor meinem zehnten Geburtstag entdecke ich ein Buch, mein Geschenk, versteckt in der Wohnwand. Ich las es. Selbstverständlich heimlich. Warten bis ich es bekomme? Warum auch. Logisch. Die Freude beim Auspacken, am Geburtstag, hielt sich in Grenzen. Soll ich dir was verraten? Dieses Buch steht bis heute in meinem Regal.
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